Bereits in 2016 hatte ich für den Barrathon einen Vorbericht geschrieben. Aber auch in 2016 und auch in 2017 sollte es mit einer Teilnahme an diesem außergewöhnlichen Lauf nichts werden. Es brauchte nunmehr insgesamt 5 Anläufe, bis es endlich klappen sollte. Dies aber auch nur knapp.
Anreise
Ich hatte auf die umständliche Anreise mit dem Flieger nach Glasgow, der Eisenbahn von Glasgow nach Oban und der Fähre nach Castelbay verzichtet und relativ früh den Direktflug mit Loganair von Glasgow gebucht. Dies bot das einzigartige Erlebnis, auf dem weltweit einzigen internationalen Flughafen zu landen, der seine Landebahn am Strand hat und von Ebbe und Flut abhängig ist. Bis Glasgow ging auch alles gut, dann überkam mich aber wieder ein ungutes Gefühl, als ein Flug von Loganair nach Tiree gecancelled wurde und man an den übrigen Maschinen so keinerlei Flugvorbereitungen erkennen konnte.
Als das Gate endlich angezeigt wurde, ging ich nach unten und musste dort erfahren, dass am heutigen Tag alle Flüge nach Barra gestrichen worden waren – wegen Nebel. Na super. Sollte der 5. Anlauf also auch nicht umzusetzen sein? Nein, Loganair war flexibel und kreativ. Eine größere Maschine wurde vorbereitet, Piloten organisiert und dann ging es am Nachmittag auf die Nachbarinsel Benbecula. Hier war tatsächlich strahlender Sonnenschein. Vom Flughafen ging es nun per Bus über die Hebrideninseln North & South Uist nach Eriskay. Hier mussten wir um 18:30 Uhr die Fähre nach Barra erreichen. Klappte auf die Minute genau. Um 18:34 Uhr waren wir auf der Fähre und wir stachen in den Nebel. Keine 5 Meter Sicht. Schade, ist es doch eine der herrlichsten Überfahrten auf den Äußeren Hebriden.
Auf Barra angekommen ging es nun mit dem Bus weiter nach Castlebay, dem Hauptort, der zumindest stellenweise nebelfrei war. Ich baute mein Zelt direkt an der Küstenlinie auf, ging noch ein wenig durch den Ort, zum benachbarten Coop einkaufen und verabschiedete mich nach den rund 21 Stunden Anreise ins „Bett“.
Der Start
Am nächsten Morgen dann strahlender Sonnenschein und relativ kühle, angenehme Temperaturen. Ich startete meine Vorbereitungen für den Lauf. Die Startlinie war nur rund 300 Meter von meinem Zelt entfernt. Ohnehin war alles sehr fußläufig in Castlebay. Der Lauf sollte um 10:40 Uhr starten. So machte ich mich um 10 Uhr auf Richtung Schule. Hier stellte ich meine Tasche ab und traf noch zwei Läufer, die aus Duisburg kamen. „bist Du der Typ mit dem Blog?`, fragte der eine. Ich bejahte dies und war doch auch positiv überrascht, wo man überall meinen Blog liest.
Um 10:40 Uhr fiel der Startschuss. Ich lief gemütlich los und eigentlich wäre das Rennen für mich auch direkt beendet gewesen, hätte ich nicht ordentlich Glück gehabt. Ich erwischte das so ziemlich einzige Schlagloch auf der 21 Kilometer langen Ringstraße, der A888. Ich geriet ins Straucheln, wurde aber von Mitläufern dankenswerter Weise aufgefangen.
Der Start erfolgte etwas oberhalb der Schule. Wir liefen nun zuerst einmal ein wenig bergab, an der Schule vorbei und aus Castlebay, in westlicher Richtung, heraus. Aus einer zweispurigen Ortsstraße wurde nun eine schöne Single Track Road, die sich die nächsten 21,1 Kilometer einmal um die Insel ziehen sollte.
Westseite
Nachdem wir fast die Nulllinie, also Meereshöhe, erreicht hatten, stand nun für den nächsten Kilometer die erste Bergwertung auf dem Programm. Insgesamt sollten es vier „Berge“ werden, die wir zu meistern hatten. Wobei die ganze Strecke ein ständiges auf und ab war. Jetzt ging es erst einmal auf 41 Meter hoch.
Nach drei Kilometern Wegstrecke erreichten wir dann Tangasdale, was eigentlich nur aus ein paar kleinen Häusern und einem traumhaft gelegenen Hotel besteht. Das aber wirklich sagenhafteste war hier der Strand, bei dem auch in der Karibik der Sand nicht weißer und das Wasser nicht türkiser daherkommt. Gerne wäre ich hiergeblieben, aber ich hatte ja einen Lauf zu bestreiten. Ohnehin bewegte man sich den ganzen Lauf im Spannungsverhältnis zwischen Staunen, dem Wunsch stehen zu bleiben und schlussendlich den Lauf zu absolvieren. Ich konnte mich aber damit trösten, dass ich alles ja schon mal fotografiert hatte, als wir vor 6 Jahren die Hebriden von Süden nach Norden durchkreuzt hatten.
So folgte ich der A888 weiter in ihrem Verlauf. Links und rechts eröffneten sich jetzt endlose Weiten von Gras, im Hintergrund die grünen Berge und weiter links das Meer. Eine stramme Briese wehte über die Insel hinweg. Gut so, hatte der Wind doch so über Nacht den ganzen Nebel vertrieben. Nicht auszudenken, wir hätten den Lauf in der nebeligen Waschküche absolvieren müssen und hätten von der Insel so gar nichts gesehen.
Nordseite
Ab Kilometer 8 folgte dann der zweite Berg. Hier ging es schnurgeradeaus auf 57 Meter hoch. Oben angekommen, eine Wasserstation. Die Wasserstationen waren ohnehin vorbildlich organisiert. Alle 3 Kilometer gab es Wasser und ein paar Süßigkeiten zur Kohlehydratzufuhr. Unverständlich war für mich zu einem späteren Zeitpunkt deswegen eine Läuferin, die ein wenig am Wanken war. Wir meldeten diese dem Streckenposten, der sie dann auch erst einmal aus dem Rennen nahm. Dehydriert musste hier nun wahrlich niemand rumlaufen und soviel Zeit, zwischendurch etwas zu trinken, sollte hier jeder mitbringen. Ansonsten ist das Rennen schneller beendet, als man denkt.
Vom Berg ging es nun wieder abwärts. Wir liefen am Loch an Duin, einem kleinen Inlandssee, entlang und erreichten ein kleines Waldstück, was auf der Windigen Insel schon eine Seltenheit ist. Kurz dahinter lag Northbay. Hier zweigte die Straße zum Flughafen und nach Eriskay ab. Wir liefen aber weiter auf der A888 aus dem Ort hinaus. Unversehens fanden wir uns zwischen Granitsteinen, grünen Wiesen und herrlicher einsamer Landschaft wieder. Ständig gab es schöne Eindrücke, die ich einfach fotografieren musste.
Nun folgte ab Kilometer 13 der dritte Berg, der aber ein wenig niedriger war, als die letzten. Lediglich 28 Höhenmeter waren zu erklimmen. Dies gelang mir erstaunlich gut und das, obwohl ich mich nahe an Kilometer 14, meinem traditionellen Tiefpunkt befand. Von Tiefpunkt war aber nichts zu spüren, ganz im Gegenteil. Ich konnte meine Kilometer so runterlaufen. Vermutlich war ich vielmehr damit beschäftigt, die Eindrücke aufzusaugen und zu verarbeiten.
Jetzt näherten wir uns Croft 183, unserem Campingplatz, auf dem wir vor 6 Jahren unsere Hebridenüberquerung gestartet hatten. Die alte Telefonzelle an der Straße existierte auch noch, jetzt allerdings ohne Tür. Alles ist eben vergänglich, selbst so eine schmiedeeiserne Telefonzellentür. An die kommenden Wegabschnitte konnte ich mich nun sehr gut erinnern. Unseren Zeltplatz gab es auch noch. Jetzt kamen die Erinnerungen hoch, wo wir damals so überall waren. In dem Moment dachte ich, schade, dass ich jetzt hier alleine bin.
Ostseite
Aber keine Zeit für Melancholie. Wir befanden uns nun an der Ostseite der Insel und der Streckenverlauf kam in gemächlichem auf und ab gut voran. Langsam wurde es insgesamt steiniger und die Wiesen mussten weichen. Die Strecke mäanderte durch die kleinen Buchten und schlängelte sich mal auf, mal ab an der Küstenlinie entlang.
Die nächste Wasserstation, nahm ich natürlich wieder mit. Neben Wasser gab es reichlich Jelly Beans, die ich mit einem zweiten Glas Wasser runterspülen musste, da ich die klebenden Reste nicht aus den Zähnen rauspulen wollte. Aber immer mal rein damit. Hatte bisher ja prima funktioniert. Was mich dann wunderte, dass bei Kilometer 17, also kurz hinter der vorherigen Wasserstation, bereits erneut eine Wasserstation stand. Ein Blick auf die Karte, wo man gerade war beantwortete alle Fragen.
Der vierte Berg stand kurz bevor. Hier sollte es nun richtig zur Sache gehen. Von 0 auf exakt 100 Meter stieg die Straße schnurgerade an. Das wäre ja vielleicht noch nicht einmal schlimm gewesen, aber die Sonne knallte ordentlich runter und die Straßendecke war neu gemacht. Schon mal auf schwarzem, brandneuem Asphalt gelaufen? Da kommt Freude auf. Das war wie im Backofen.
Zum Glück setzte sich immer wieder der Wind durch und sorgte für Abkühlung. Ich versuchte weitestgehend zu laufen, musste dann aber auch Schritt gehen. Diese Laufpausen nutzte ich wieder für Fotos. Rechts von uns lag der Hausberg von Castlebay, der Heaval mit 383 Metern Höhe. Hier waren wir damals auch hochgewandert und hatten die fantastische Sicht über die gesamte Insel genossen.
Kurz vor Erreichen von Kilometer 19 waren wir oben. Es gab? Genau, Wasser. Hier haute ich mir nochmal zwei Becher rein und eine Stimme sagte mir, dass es ab jetzt nur noch abwärts ging.
Südseite
Nun gab ich noch mal ordentlich Gas. Beim Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass mein generelles Ziel, unter 2 Stunden bei einem Halbmarathon zu bleiben, in Gefahr war. Ich rechnete kurz, es konnte noch passen. Also den Abstieg schnellen Fußes in Angriff genommen. Während ich den Berg hoch mit einer Schnecken-Pace von 6:38 bzw. 7:58 Minuten/Kilometer absolviert hatte, konnte ich nun 4:33 Minuten/Kilometer realisieren. Da ich ja nun nicht mehr ganz frisch war, wollte ich auch nicht übertreiben und auf den letzten Metern vielleicht noch stürzen.
Castlebay war schnell erreicht. Im Ort selbst mussten wir noch eine „Schanze“ von 12 Metern Höhe überwinden und dann sah ich bereits mein Zelt und die Küstenstraße, die zur Schule führte. Jetzt noch mal alles geben und ordentlich durchziehen. Der Zieleinlauf verlief ebenfalls bergab, so dass ich mit einer Pace von 4:14 Minuten die Ziellinie überquerte.
Geschafft. 1:59:12 Stunden für die 13 Meilen oder 21,1 Kilometer auf der A888 rund um die Isle of Barra. Mit dieser Zeit erreichte ich unter den lediglich 271 Finishern Platz 104. In der Altersklassenwertung (38 Finisher) kam ich auf Platz 25 und in der Geschlechterwertung (149) auf Platz 82. Mit meiner Zeit war ich vollends zufrieden. Waren bei diesem Lauf doch insgesamt 300 Höhenmeter zu bewältigen und vor allem reichlich Fotos zu schießen.
Nach dem Lauf
Nach dem Lauf hatten wir die Möglichkeit die Duschen der Sporthalle zu nutzen. Da ich ja nun mit dem Zelt dar war, war ich ziemlich dankbar für die Möglichkeit, mich wieder zivilisatorisch herrichten zu können. Allerdings gestaltete sich das Duschen schwierig. Offensichtlich musste das Wasser irgendwo her gepumpt werden. Auf jeden Fall tröpfelte es mehr, als dass da wirklich Wasser kam. Aber schlussendlich konnte man sich dennoch vernünftig säubern.
Nach dem Lauf ging ich dann erst einmal zu meinem Zelt und verpackte alles wieder. Da am nächsten Tag, also Sonntag, kein Bus zum „Flughafen“ fuhr, musste ich bereits am Samstagnachmittag den letzten Bus aus Castlebay nehmen und dann irgendwo in den Dünen übernachten. Also alles abgebaut und dann noch beim Coop für das Abendessen eingekauft.
Anschließend schaute ich dann noch einmal beim Buffet für die Läufer vorbei. Was ich dort vorfand, hätte ich tatsächlich so nicht erwartet. Salate in Hülle und Fülle, ganze Lachse, Krebse und Lobster, gebratene Hühnchen, bester Schinken und allerlei sonstige Leckereien waren da in Massen aufgetürmt. Da musste ich dann doch mal eben noch zuschlagen, auch wenn ich das nach so einem Lauf eher ungern mache. So konnte ich den Tag gesättigt überstehen.
Abschied
Um 16:30 Uhr fuhr dann der kleine betagte Minibus vom Castlebay Pier Richtung Flughafen. 30 Minuten Fahrt und dann stand ich da in der Wildnis, im Nord-Osten Barras. Ich fand in den Dünen ein mehr oder weniger gerades Stück Gras und baute dort mein Zelt auf. Wie minder gerade es dann tatsächlich war, sollte die Nacht mir zeigen. Ich hatte schon mal besser geschlafen.
Am nächsten Morgen bekam ich einen mächtigen Schreck. Es war 6 Uhr, ich schaute aus dem Zelt und sah? Nichts. Der Nebel war zurück und zog gerade mit ordentlicher Kraft in die Bucht. Also aufgestanden und erneut alles verstauen, bevor das Zelt noch nass werden würde. An der Seite des kleinen Flughafengebäudes befand sich eine überdachte Kofferablage. Hier konnte ich meine Klamotten verstauen und mich für die nächsten Stunden aufhalten. Das angegliederte kleine Cafe und der Check-in öffneten erst um 10 Uhr. Also las ich ein Buch, wanderte ein wenig auf der Straße entlang und genoss die nebelige Stille. Leider überkam mich aber auch die Gedanken im Hinblick auf meinen Flug. Sollte heute wieder alles gestrichen werden? Ich hatte noch 4 Stunden Zeit, bis in Glasgow eine Entscheidung getroffen werden musste, ob die Maschine kommt.
Und es wurde tatsächlich besser. Der Nebel zog in die Bucht und es wurde vermehrt stark bewölkt. Dann fing es noch ein wenig an zu regnen. Regen stellt in Schottland kein Problem dar. Die benachbarten Inseln waren auch wieder zu sehen. Es konnte also gelandet werden.
Um 10 Uhr dann Frühstück im Flughafencafe und die Antwort der Bedienung, dass sie nicht wüsste, wieso man heute nicht fliegen sollte. Jetzt war alles prima. Um 11:30 Uhr kam der Flieger in Sicht und landete unter dem Staunen der extra hergekarrten Touristen am Strand. Ich kam also heute wieder nach Hause.
Der Barrathon ist ein Lauf, der sich in eine ganze Reihe von Läufen auf den Äußeren Hebriden einreiht. Insgesamt können 5 Halbmarathons auf den Western Isles Barra, Benbecula, Skye, Harris und Lewis gelaufen werden. Über die Hebridean Half Marathon Series kann man sich durch Klicken auf den integrierten Link informieren. Die Website für den Barrathon ist nicht so aussagekräftig, findet sich aber hier. Bei Facebook gibt es darüber hinaus auch ein paar Infos.
Wenn Ihr am Barrathon teilnehmen wollt, was ich Euch nur wärmstens empfehlen kann, dann müsst Ihr schnell sein. Lediglich nur rund 290 Teilnehmer sind zugelassen und die Plätze sind in der Regel innerhalb von weniger als 10 Minuten ausverkauft.
Für weitere Informationen lest auch meinen Vorbericht aus 2016 und nun allzeit gute Läufe!