Ein gewagtes Unterfangen, den Hermannslauf anzugehen, ist es allemal. Aber wenn man eigentlich nicht richtig im Trainingsflow ist, wird es erst recht zur Herausforderung. Ich hatte mich entschieden, den gefühlten Marathon im 50. Jahr des Bestehens anzugehen und sei es nur mit der Zielsetzung überhaupt anzukommen.
Gewagt getan, Sonntagfrüh ging es mit dem Auto nach Bielefeld. Im Parkhaus am Bahnhof fand ich einen Parkplatz und von hier war es nur kurz über die Straße hinüber zur Startnummernausgabe und zum zentralen Busshuttle.
Top organisiert war es auf jeden Fall. Die Startnummern waren schnelle erhalten und ich nutzte die ersten Sonnenstrahlen des Tages, um mich auf dem großen Platz vor dem Handwerkscampus startfertig zu machen. Dann ging es zum Bus und keine 45 Minuten später wurden wir am Hermannsdenkmal wieder hinausgelassen.
Hier hatte ich nun noch gut 2 Stunden Zeit, bis es endlich los ging. Ich nutzte die große Wiese direkt hinter der Gastronomie, wie viele andere Teilnehmer auch, für ein Sonnenbad und ein wenig zum Nachschlafen. Meinen Beutel konnte ich an den bereit gestellten LKWs abgeben.
Um kurz vor 11 Uhr fand ich mich im Startblock B ein. Da hier einige deutlich fitter und durchtrainierter aussahen, fragte ich mich schon, ob ich nicht besser in den Block C wechseln sollte, entschied mich dann aber dafür, mich einfach ganz nach hinten zu stellen, was ja quasi C entsprach.
Um 11:06 Uhr wurde dann unser Startschuss gegeben, nachdem bereits die Elite aufgebrochen war. Da sich der Start direkt am Hermannsdenkmal befindet, führt die Strecke daher auf den ersten Kilometern erst einmal bergab und danach durch sehr hügeliges und anspruchsvolles Gelände. Gerade beim Bergablauf, direkt zu Beginn, kann man den ersten gravierenden Fehler machen und losstürmen. Der Wunsch, hier deutlich Zeit für die später kommenden Anstiege herauszulaufen, ist zwar da, aber dem nachzukommen, wäre fatal. Bergablauf geht massiv auf die Muskeln und dies würde beim Hochlaufen später nicht helfen.
Der Veranstalter wies mehrfachst darauf hin, aber es gibt halt immer Experten, die selbst im Stau auf den engen Wegen der Meinung sind, durch das Unterholz überholen zu müssen.
Nach dem Start ging es so erst einmal auf schottrigem Untergrund einmal im Sinkflug um das Hermannsdenkmal herum, um dann auf die Zubringerstraße einzubiegen. Hier wurde es schön breit. Gleichzeitig gab es aber auch rund 20 % Gefälle und das merkte ich deutlich in den Oberschenkeln. Ich ordnete mich rechts ein, lies die Raser vorbei und freute mich dann auf den nächsten Wirtschaftsweg, den Martsieksweg, auf den wir etwas später nach rechts einbogen.
Auf den ersten rund 4 Kilometern ging es nun von 371 Höhenmetern auf nur noch 174 Höhenmeter hinab ins Heidetal. Auf dem schottrigen Wirtschaftsweg musste man ordentlich aufpassen, da das Läuferfeld hier noch nicht wirklich entzerrt war, der Untergrund teils recht steinig und mit Furchen versehen war und die Abstände zueinander nicht viel Bewegungsfreiheit ließen. Im Heidetal angekommen wurde der Untergrund sandig. Kenner dieses Abschnittes schwenkten schnell nach links und nutzten den auf Waldboden befindlichen Trampelpfad. Auf die Idee kamen aber viele, so dass sich hier auch schnell Stau bildete, weil da der langsamste nun mal den Takt vorgibt. Ich blieb am Rande des Sandes und kam auch so gut voran.
Dann folgten die nächsten 3 Kilometer der Anstieg hinauf auf den Großen Ehberg, der mit knapp 300 Höhenmetern zu Buche schlug und dessen Gipfel man ziemlich genau bei Kilometer 7 erreichte. Top geplant waren die Verpflegungsstellen. Bevor es wieder richtig hoch ging, bei Kilometer 5,5, konnte man sich noch einmal stärken.
Nach dem Anstieg auf den Großen Ehberg, was je nach persönlichem Trainingsstand durchaus schon der erste anspruchsvolle Abschnitt ist, liefen wir nun hinab Richtung Augustdorfer Panzerstraße. Diese erreichten wir bei Kilometer 8 auf 212 Höhenmeter. Hier war Party. Auf der breiten Panzerstraße wurde der Laufkorridor durch die vielen Zuschauer immer enger. Wir querten die Brücke der Bundesstraße, um dann relativ leicht ansteigend auf den Betonplatten die nächsten Kilometer entlang des Truppenübungsgeländes weiter zu laufen. Später wechselt man dann wieder auf Waldboden und bis Kilometer 12 kann man sich moderat ansteigend sammeln, sortieren und den Puls wieder ein wenig runterfahren und entspannen.
Zwischen Kilometer 13 und 14 erreichten wir dann die Stapellager Schlucht auf 239 Höhenmetern mit der nächsten, der dritten Verpflegungsstelle. Hier muss man gut aufpassen, da es sehr eng zugeht und aufgrund der vielen Läufer nicht sofort ersichtlich ist, wo es was gibt. Ich habe einfach das genommen, was gerade verfügbar war. Wasser, Elektrolyte und wieder Wasser. Das leckere Obst habe ich nicht angerührt, da ich überhaupt keinen Bedarf danach hatte.
Dann folgen eineinhalb Kilometer moderater Anstieg, um ab Kilometer 14,5 in einen sehr heftigen Anstieg, hinauf auf den Tönsberg bei Oerlinghausen, zu wechseln. Hier war dann auch für mich erst einmal Schrittgeschwindigkeit angesagt. Immer mehr Läufer verfielen ins Gehen und dies zog sich wie eine umfallende Dominosteinkette durch das Läuferfeld. Grundsätzlich trennt sich hier die Spreu vom Weizen, den Weizen habe ich jedoch nicht erkennen können, da wir alle eher schnell gegangen sind.
Bei Kilometer 15 erreichten wir den Sattel des Tönsberges und moderat ansteigend ging es nun noch auf den „Gipfel“ hinauf, den wir bei 328 Höhenmetern und der Kilometermarke 16 erreichten. Danach folgte wieder ein saftiger Abstieg hinab ins Schopketal und nach Oerlinghausen. Auf gut 3 Kilometer Wegstrecke, teilweise über Asphalt und im Ort selbst über Kopfsteinpflaster, mussten unsere Oberschenkel rund 154 Höhenmeter verkraften. In Oerlinghausen, die Partyhochburg des Hermannslaufs schlechthin, war gefühlt der ganze Ort an der Laufstrecke. Und erst einmal im Ort nagekommen, gab es auch wieder einen Verpflegungsstand mit allerlei Auswahl an Getränken und Snacks.
Von Oerlinghausen ging es nun noch ein kleines Stück weiter hinab ins Schopketal und über den Wanderweg nach Lämmershagen, wo wir wieder ganz allein waren. In Lämmershagen angekommen, gab es dann noch einmal ein Getränk, das aussagegemäß Flügel verleihen soll und das konnten wir durchaus auch gebrauchen. Weniger angenehm war der Grillduft, der hier vorherrschte. Da bekam ich direkt Bilder und somit auch Hunger. Zeit zum Essen war nun aber nicht und es musste weitergehen.
Seine Krönung fand der Wanderweg nun in den Treppen von Lämmershagen. Diese Treppen sind ebenfalls eine wichtige Wegmarke des Hermannslaufs, da hier über 120 Stufen ganze 45 Höhenmeter zu bewältigen sind. Aber auch hier nutzte ich den Abschnitt, um eine kleine Regenerationspause einzulegen. Kurz vorher befand sich eine inoffizielle Verpflegungsstelle eines Mineralwasserherstellers, dann um die Kurve rum sah man erst die Treppen. Manchmal übliche Wartezeiten, die man sich mit seinem Drink verkürzen kann, gab es diesmal nicht, so dass es direkt in den Aufstieg ging.
Was sich jetzt bei mir immer mehr bemerkbar machte, war eine Blase am rechten Mittelfuß. Das ärgerte mich ziemlich, da ich doch bereits im Vorfeld alles abgetaped und bewusst auch auf meine Einlagen verzichtet hatte. Nun also brannte es dennoch. Machte nichts, es musste weiter gehen. Kilometer 23 war an den Treppen von Lämmershagen erreicht und die letzten 8 Kilometer mussten nun irgendwie runtergerockt werden. Die Treppen waren echt heftig. Unterschiedliche Höhen, unterschiedliche Abstände, ausgewaschener Boden – alles, um sich gegebenenfalls richtig lang zu legen. Im gemütlichen Schritt ging es aber sicher nach oben, nur das neuerliche „Antraben“ war alles andere als einfach und angenehm.
Oben angekommen, ging es nun langsam ansteigend über den Kamm weiter bis zum Funkturm Eiserner Anton. Vom Kammweg aus boten sich immer wieder tolle Ausblicke hinab ins Tal und so langsam kamen auch die ersten Ausläufer Bielefelds wieder in den Blick. Spannend fand ich hier oben den Untergrund. Irgendwie hatte ich den Eindruck ich sei in Australien am Ayers Rock. Der Boden war brüchig und rot. Wer sich für Geologie und dergleichen interessiert, hat auf dem Hermannsweg ohnehin einiges zu studieren.
Am Funkturm fand ebenfalls eine Party statt und auch war hier ein Bierwagen aufgestellt. Mein Körper wollte zwar nach rechts abbiegen, aber der Geist sagte nein und ich lief weiter. Ich nutzte stattdessen die letzte sehr lang gezogene Verpflegungsstation und tankte noch einmal ordentlich nach. Bis zur Überquerung der Osningstraße, bei Kilometer 26, ging es über einen gepflasterten Weg weiter bergab.
Was dann folgte, war das böse Erwachen. An der Osningstraße angekommen, liefen wir um eine Ecke und vor uns lag eine Straßenkreuzung. Dahinter jedoch erblickten wir – TREPPEN. Es folgte ein letzter steiler Anstieg und es blieb nicht bei den Treppen, sondern der Weg an sich führte heftig schotterig weiter steil nach oben. Hinter der Osningstraße haben die bösen Highlights allerdings ein Ende und später verlief die Strecke in leichten Wellen Richtung Habichtshöhe, vorbei an Brand´s Busch und dem „Tränenhügel“ zur Promenade. Hier, auf gepflastertem Weg, läuteten wir unseren „Schlussspurt“ ein, sofern dieser überhaupt noch möglich war. Viele kreuchten hier nur noch im Überlebensmodus dahin.
Nun könnte man meinen, die letzten Kilometer bergab geben noch einmal richtig Schwung? Weit gefehlt. Mittlerweile lief ich wie in Teig. Die Oberschenkelmuskulatur machte langsam dicht und die Gehpausen häuften sich. Die Menschenmengen wurden immer größer und die Zielgerade war ein Meer von Menschen zu beiden Seiten der Strecke.
Dann kam der Zielbogen in Sicht und nach 31,1 Kilometern erreichte ich mit einer Zeit von 3 Stunden, 21 Minuten und 33 Sekunden das Ziel an der Sparrenburg in Bielefeld. Mit dieser Zeit belegte ich Gesamtplatz 2.688 von 4.493 gewerteten Teilnehmern, Platz 250 (380) in der Altersklassenwertung und Platz 2.263 (3.463) in der Genderwertung. Ehrlich gesagt hätte ich nicht erwartet, dass ich eine solche Zeit bei meinem ersten Hermannslauf hinlege, zumal ich zwischendurch auch Laufpausen einlegen musste.
Im Ziel war es dann extrem voll und ich beschloss ziemlich zügig meine Sachen zu holen und dann mit der Straßenbahn Richtung Bahnhof und nach Hause zu fahren.
Der Hermannslauf ist ein extrem professionell organisiertes Laufevent – nein das Laufevent – in Ostwestfalen. Was hier an Organisation und Planung auf die Beine gestellt wird, ist wirklich großartig.
Die teilweise über den Hermannsweg führende Laufstrecke verläuft überwiegend auf Waldboden und Sandwegen, aber auch auf Beton, Asphalt und Kopfsteinpflaster. Insgesamt sind ca. 515 Höhenmeter und ca. 710 m im Gefälle zu absolvieren. Im Durchschnitt verläuft der Hermannslauf also bergab und gerade das macht den Hermannslauf zu einer echten Herausforderung.
Wer den Hermannslauf erstmalig läuft, sollte gut vorbereitet, trainiert und organisiert sein. Fehler verzeiht dieser Lauf eher nicht. Neben der eigenen Verpflegungsplanung sollte man auch gut das Wetter im Auge behalten und auch hier auf alles vorbereitet sein. Man ist zwar nicht weit oben, aber dafür vielfach ausgesetzt unterwegs. Wind, Regen, Hagel, Schnee, aber auch pralle Sonne, zehren schnell an den Kräften.
Ich habe mal ein Video von „Der Fachwerker“ mit diesem Beitrag verlinkt. Hier wird der Hermannslauf sehr detailliert im Video beschrieben. Absolut sehenswert. Weitere Informationen findet Ihr auch auf der Website des Hermannslaufs.
Der nächste Hermannslauf findet übrigens am 30. April 2023 statt. Wenn Ihr Euch anmelden wollt, seid schnell. Normalerweise ist der Lauf innerhalb von Minuten ausverkauft!
Und nun wünsche ich Euch viel Spaß und allzeit gute Läufe!