Bisher ist meine Halbmarathonausbeute im Inland eher überschaubar, was aber auch gewollt war. Aber den 7. Halbmarathon Leipzig wollte ich mir dann in meiner zweiten Heimat und nach der langen Coronaabstinenz dann doch nicht entgehen lassen. Also ging es mit der Bahn freitagmorgens nach Leipzig.
Die Wetteraussichten waren für den Sonntag top. Sonnenschein und rund 10 Grad. Ideale Bedingungen für mich. Auch hatte ich den Eindruck, dass ich gut in Form war. Dass es am Ende nicht nur laufend über die Gefechtsfelder der Völkerschlacht von 1813 ging, sondern der gesamte Halbmarathon für mich ebenfalls zur Schlacht werden würde, war da noch nicht zu erahnen.
Sonntagfrüh, Sonnenschein, 8:00 Uhr, keine Menschenseele auf den Straßen. Nur ein einsamer Läufer auf dem Weg zur S-Bahn. Von Leipzig-Leutzsch konnte ich entspannt mit der S-Bahn bis zum Völkerschlachtdenkmal in Leipzigs Süden fahren. Nach gut 40 Minuten war ich am Ziel. Die Einlasskontrollen waren schnell erledigt. Zwei Bändchen kennzeichneten als Teilnehmer und 3G-konform. Gegen 9 Uhr wurde es dann voller.
Laut Veranstalter sollte überall Maskenpflicht herrschen, wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden könnte. Aus Hamburg, im letzten Jahr, kannte ich das auch noch und ja, es funktioniert eigentlich sehr gut, erst nach dem Start die Maske abzunehmen. Leider hielten sich hier kaum Leute an die Maskenpflicht. Und daran erinnert wurde leider auch nicht. Statt dessen verhinderte ein übermäßig engagierter Sicherheitsdienst den Eingang in den Startbereich, obwohl man 20 Meter weiter eine Lücke nutzen konnte und wir ja auch schon alle „akkreditiert“ waren. Manche Dinge muss man eben einfach nicht verstehen.
Um 10 Uhr sollte der Startschuss sein – ich fragte mich hingegen, wer eigentlich alles mitläuft. Es waren mehr Menschen vor der Absperrung als im Startfeld. Prompt kam die Durchsage, dass sich der Start um eine halbe Stunde verschieben würde.
Dann, um 10:30 Uhr, ging es aber los. Ziemlich gut auf den Countdown abgestimmt, gab eine Kanone den Startschuss und das rund 2.000 Läufer/innen starke Teilnehmerfeld setzte sich in Gang.
Mit direktem Blick auf das historische Völkerschlachtdenkmal erfolgte der Start. Kurz danach schwenkten wir auf die links von dem wuchtigen Wahrzeichen Leipzigs verlaufende Prager Straße ein, die für uns gesperrt war. Wo waren eigentlich die Pacemaker? Eine Frage, die für mich noch zum Problem werden würde. Aber erst einmal lief alles vermeintlich rund.
Nach 2 Kilometern erreichten wir Probstheida, einen Vorort Leipzigs. Hier bogen wir nach rechts in die Chemnitzer Straße ab. Links von uns erhoben sich die seit langem sanierten und durchaus ansehnlichen Plattenbauten der Lene-Voigt-Straße, die ich auch von innen kenne, da hier einst Verwandte wohnten. Ganze 2 Kilometer ging es nun immer schön gerade aus. Dann erreichten wir die JVA Leipzig und wir bogen nach rechts in das Wohngebiet Wachau ab.
Von nun an folgten Richtungswechsel an Richtungswechsel. Wir liefen am Rande der Siedlung entlang, bevor wir nach 7 Kilometern den Markkleeberger See erreichten. Leider sahen wir von diesem nicht sehr viel, weil wir nicht den Seeweg zum Laufen nutzen sondern auf dem Oberen Uferweg blieben. Die Natur hatte sich gut entwickelt und den See vor neugierigen Blicken abgeschottet.
Kilometer 8 – endlich eine Wasserstation. Ich merkte bereits, dass ich am Limit laufe. Die ersten Kilometer war ich scheinbar zu schnell gestartet. In der Nachschau betrachtet mit einer Pace deutlich unter 4:40 Minuten/Kilometer. Das rächte sich nun. Ab Kilometer 8 wurde eine Pace unter 5 Minuten nicht mehr gesehen. Wo waren die Pacemaker, die Läufer, die ein bestimmtes Tempo vorgeben, geblieben?
Weiter ging es den nächsten Kilometer durch Auenhain. Einem kleinen Wohngebiet mitten in den Feldern der Wachau gelegen. Es folgte die Auenhainer Allee und dann ein Schwenk nach rechts in die Bornaer Chaussee. Dieser folgten wir für knapp einen Kilometer bevor wir wieder nach rechts in das Wachauer Wäldchen abbogen.
Herrliche Landschaft bot sich den Läufern, aber ich war gefühlt am Ende. Flacher Parcours? Fehlanzeige. Ich hatte das Gefühl, es geht stetig bergan. Laufen wie in Teig. Andere Läufer überholten mich. Schrittpausen. Dann wieder eine Wasserstation. Es gab nicht nur Wasser. Auch Cola und Apfelsaft war im Angebot. Dann konnte ich erneut sehen, wie es wieder nach rechts auf die Felder ging – zum Wendepunkt. Dieser lag noch gefühlt eine Ewigkeit entfernt und ich wollte doch einfach nur zurück und dem Ganzen ein Ende bereiten.
Auf diesen herrlichen Feldern und in dieser Landschaft spielte sich also die bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wohl größte Schlacht der Weltgeschichte ab. Rund 600.000 Soldaten Russlands, Österreichs, Schwedens und Preußens kämpften hier gegen die Truppen Napoleons. In nur drei Tagen im Oktober 1813 wurde Napoleon geschlagen und er musste sich zurückziehen. 1913 wurde zum 100 jährigen Jubiläum das Völkerschlachtdenkmal fertiggestellt, welches nebenbei einen herrlichen Ausblick über Leipzig bietet.
Hier wurde also etwas über 200 Jahren Weltgeschichte geschrieben. Ich erreichte jetzt aber erst einmal meinen eigenen Wendepunkt. Einmal scharf gedreht und es ging endlich zurück. Die ewige Kurverei sollte ein Ende haben. Zweieinhalb Kilometer bis Liebertwolkwitz. Dann wieder scharf links durch den Ort gelaufen und in mehreren Hacken zurück zur Bornaer Chaussee und der JVA.
Meine Pace war mittlerweile jenseits von gut und böse. Deutlich über 5:30 min/km, vielfach auch deutlich über 6 Minuten. Viele Gehpausen musste ich einlegen. Der Lauf war im wahrsten Sinne des Wortes für mich gelaufen. Bei Kilometer 19 kam das Völkerschlachtdenkmal in Sichtweite. Nun noch daran vorbei und in Höhe der Messe Leipzig ein weiteres Wahrzeichen durchschritten – nämlich das große Messe-M der Leipziger Messe.
Als wäre dies nicht alles schon genug gewesen, mussten wir dann noch einmal ordentlich Meter machen, denn wir mussten die S-Bahn überqueren. In einer lang gezogenen Kurve ging es steil nach oben und dann lag die Zielgerade, die Straße des 18. Oktober, vor uns. Noch einmal versuchen durchzuziehen, lächeln für das Zielfoto und einen Hacken dran machen. Es war geschafft.
Immerhin hatte ich, für mich überraschend, nicht mal die schlechteste Zeit erlaufen, obwohl dieser Lauf mich deutlich an meine Grenzen gebracht hat. Auf den ersten 8 Kilometern hatte ich scheinbar derart viel Zeit herausgelaufen, dass ich die restlichen 13 Kilometer „trödeln“ konnte.
Mit 1:57:39 Stunden erzielte ich unter den 1.457 Finishern Gesamtplatz 842. In der AK-Wertung reichte es noch für Platz 89 (130) und in der Genderwertung erzielte ich Platz 685 (1.012).
Wie immer gab es eine Medaille und für mich viel wichtiger, ein kühles isotonisches Bier, von dem ich mir direkt mal zwei Flaschen besorgte. Im Schatten von Absperrgittern musste ich mich erst einmal setzen und beobachtete so den Zieleinlauf. Nun sah ich auch das erste mal Pacemaker. Sie hatten lediglich ein rotes T-Shirt an, auf dem die Zielzeit verzeichnet war. Das könnte man beim nächsten Mal besser machen. Unter 2.000 bunt gekleideten Startern die roten T-Shirts zu finden, gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Mindestens ein paar Signalballons oder aber die üblichen Rückenfahnen wären ideal!
Ansonsten muss ich sagen ein top organisiertes Event in einer herrlichen Umgebung – Leipzig eben. 4 Verpflegungspunkte und jeder Kilometer wird durch eine historische Persönlichkeit (Soldaten) der Völkerschlacht markiert. Der Startschuss erfolgt durch eine historische Kanone, die von Kanonieren bedient wird. Und das ganze mit direktem Blick durch die herbstliche Straße des 18. Oktober hinüber auf das monumentale Völkerschlachtdenkmal. Das sucht in der Tat seines Gleichen.
Da Leipzig immer eine reise Wert ist – frei nach Goethe „Mein Leipzig lob‘ ich mir“ – werde ich diesen Halbmarathon auch noch einmal laufen. Dann aber planvoller, mit weniger Fehlern und sehr wahrscheinlich auch einer besseren Zeit.
Informationen zu diesem Lauf, zu dem die Anmeldung ab dem 1.12.2021, ab historischen 18:13 Uhr möglich ist, findet Ihr auf der Website des Laufes oder der Instagrampräsenz.
Allzeit gute Läufe!