17. Brüssel Airport Halbmarathon – Der verwirrende Halbmarathon im Herzen Europas (21,1 km/HM)

Dieser Halbmarathon bot nun wirklich einiges Neues für mich. Zum einen stellte Brüssel und damit Belgien das 20. Land dar, in dem ich einen Halbmarathon gelaufen bin. Wieder einen Punkt mehr in der Länderläuferliste. Abgehakt.

Zum anderen bot der Lauf bereits im Vorfeld, aber auch danach, reichlich Material für Verwirrung. Im Internet hieß es „The route is picturesque as runners pass by all the main sights and attractions of Brussels.” OK, klingt vielversprechend. Jetzt kenne ich Brüssel sehr gut und meine auch Karten lesen zu können. Die im Netz dargestellte Route führte allerdings bei keinerlei Sehenswürdigkeiten vorbei – das Atomium mal ausgenommen.

Nun gut, sei es drum. Brüssel ist nicht weit und immer eine Reise wert – also fuhr ich am Vortag des 3. Oktober in die Europäische Hauptstadt um mal wieder ein paar Kilometer runterzuspulen.

Das Wetter war ganz nach meinem Geschmack – kühl, regnerisch und windig. Das sollte also schon einmal ganz gut passen. Ich parkte auf dem riesigen Expo-Parkplatz, der mich eher an den Hafen von Calais und die Verschiffung nach England erinnerte. Von hier musste ich rund einen Kilometer bis zum Stade Roi Baudouin (König Baudouin-Stadion) laufen. Hier gab es die Startnummer. Dann ging es weiter in das Stadion. Vor dem Stadion gab es wieder die obligatorische Wand, auf der alle Starterinnen und Starter verzeichnet waren. Hier fehlte allerdings mein Name, weil ich mich erst recht kurzfristig angemeldet hatte.

In den Katakomben des Stadions konnte man sich umziehen, wovon ich aber Abstand nahm. Die Luft war derart schlecht und die Räume scheinbar nicht belüftet – ein herrliches Brutgebiet für Corona.

Also ging ich nach draußen auf die zugige Tribüne und bereitete mich dort für den Lauf vor. Dann weiter zur Gepäckaufbewahrung und zum Start. Auf dem Weg dorthin gab es noch einen kurzen Fotostopp am Atomium.

Strecke Brüssel

Das leichte Nieseln hatte mittlerweile aufgehört und es schien, als käme langsam die Sonne durch. Ganz hat sie es nie geschafft, aber zumindest wurde es ein wenig heller.

Um kurz vor 10:30 Uhr war das Starterfeld gut gefüllt und alle hoffte, dass es nun endlich losging. Dies lag sicher auch an der französisch sprechenden Einpeitscherin, die versuchte mit Lockerungsübungen das Startfeld aufzuwärmen. Die Masse war aber eher damit beschäftigt, sich die Ohren zuzuhalten, da der Ton derart laut und überreguliert war, das es kaum auszuhalten war.

Leicht verspätet ging es dann auf die Piste. Kurz nach dem Start bogen wir nach recht in den Parc d`Osseghem ab. Von hier ging es in Schleifen weiter in den Parc de Laeken, wo wir vereinzelte Steigungen zu meistern hatten. Ursprünglich gehörte der Park zu den königlichen Gärten und wurde 1867 durch König Leopold II. der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Höhenprofil

Dann näherten wir uns nach rund 4 Kilometern dem Wohnsitz des belgischen Königs auf Schloss Laeken. Obwohl wir die Domian Royal de Laeken im Verlauf des Laufes einmal umkreisten, war vom Schloss selbst kaum etwas zu sehen. Wir konnten die großen schmiedeeisernen Tore der Zufahrt zum Schloss bestaunen, die Haupthalle lag in der Ferne. Dann bogen wir nach rechts ab, um den Kattenberg zu „erklimmen“. Hier errichtete einst König Leopold II. ein Denkmal für seinen Vater, König Leopold I., den ersten König der Belgier. Das Denkmal wird heute auch als Denkmal der Dynastie bezeichnet.

Von hier ging es wieder hinab zum Schlosstor, dann entlang der Avenue du Parc Royal Richtung Stadt. In Höhe der Liebfrauenkirche, der Église Notre-Dame de Laeken, erreichten wir urbanes Gefilde. Bis hier hin hatten wir rund 6 Kilometer gelaufen. Der erste Abschnitt bis hier hin war recht hügelig und von rd. 71 Metern waren wir nun bei 19 Metern angekommen. Die nächsten 9 Kilometer sollten nun recht flach weiterverlaufen.

Die nächsten rund 8 Kilometer kreisten rund um das Bassin Vergote. Das Bassin ist heute Teil des Brüsseler Nordhafens. Früher war es vermutlich ein beschaulicher Ort im Rahmen eines Wasserstraßensystems rund um Brüssel als auch quer durch Brüssel hindurch. Der Streckenabschnitt über die Havenlaan, zwischen Kilometer 7 und 9, war nicht einfach zu laufen, da die Kopfsteinpflaster-Straßen und die Fußwege auf der westlichen Seite des Bassins völlig desolat waren. Viel zu sehen gab es hier auch nicht, außer LKWs und Firmengelände. Hier fragte ich mich erstmals, ob Brüssel nicht wesentlich schönere Orte zu biete habe als diese Location?

Nach dem Abstecher in den Brüsseler Nordhafen erreichten wir nach knapp 10 Kilometern wieder die Liebfrauenkirche. Hier bogen wir scharf rechts ab, um wieder zurück Richtung Kanal zu laufen. Die nächsten rund 4 Kilometer führten uns auf beiden Seiten des Kanals, die Chaussée de Vilvoorde und den Quai des Usines, entlang. Bis hier hin lag ich sehr gut in der Zeit und deutlich vor den Pace Makern, die 1:50 Stunde als Zielzeit hatten. Wie gesagt – bis hier hin. Denn nun meldete sich wieder mein Oberschenkelnerv.

Ich musste Tempo rausnehmen, das mitgenommene Kühlpack aktivieren und unter die Lauftight schieben und in deutlich gebremstem Tempo ging es weiter. Angenehm war es nicht, aber es lief erst einmal. Dann überholten mich die Pace Maker, der Tross der 1:50-Masse zog an mir vorbei – meine Stimmung war auf dem Tiefpunkt angekommen. Die Wasserstellen nutze ich ebenfalls um zu Kühlen und das Stechen hörte auf. Es ist merkwürdig, so plangemäß, wie es bei Kilometer 10 einsetzt, hört es auch nach 5 Kilometern wieder auf.

Bei Kilometer 15 hatten wir den Kanal bereits verlassen, liefen eine Schleife durch das Industriegebiet in Schaerbeek, um über eine Brücke wieder den Park von Laeken zu erreichen. Hier ging es nun schön durch den Wald und auf einer Strecke von 2 Kilometern wieder 41 Meter hinauf. Links von uns lag das Königliche Schloss, das durch hohe Mauern abgeschirmt war. Somit gab es nicht viel zu sehen.

Bei Kilometer 18 erreichten wir den Pavillon Chinoise, der nun wirklich sehr beeindruckend war. Es war auch nicht nur ein Pavillon sondern ein ganzes Ensemble aus chinesischen Gebäuden, die sich links und rechts der Straße erhoben. Über die Avenue de Madrid ging es nun recht unspektakulär außerhalb des Parks von Laeken weiter. Bei Kilometer 19 bogen wir in den Parc d’Osseghem ein, um die letzten Meter zurückzulegen. Wir erreichten den Boulevard du Centenaire, hier hatten wir einen schönen Blick auf das Atomium, das in der Verlängerung stand.

Dann folgten die letzten Meter auf verschlungenen kleinen Straßen bis zur Avenue de Marathon, die sich direkt vor dem Baudouin-Stadion befand. Jetzt noch einmal die Länge des Stadions entlanggelaufen und vor Kopf in dieses eingebogen. Hier erinnerte ich mich an meinen Lauf in Wembley, den 2. Vitality North London Half Marathon, den es heute nicht mehr zu geben scheint. Schade, war es doch ein einmaliges Erlebnis, in dem riesigen Stadion einzulaufen.

Dieses wiederholte sich nun in etwas kleinerem Rahmen im Baudouin-Stadion. Letzte Meter, noch einmal Vollgas und geschafft.

Meine geplante Zeit von unter 1:50 Stunden konnte ich leider nicht realisieren. Am Schluss wurden es 1:57:31 Stunden. Damit belegte ich Gesamtplatz 1.867 von 3.632 Finishern und in der AK45 reichte es für Platz 45 von 235 Finishern. Dass ich dennoch im Mittelfeld gelandet bin, hat mich dann schon gefreut.

Nach dem Lauf hieß es dann die Medaille einsammeln und ein wenig Nahrung und Getränke bunkern. Dies ging alles sehr hektisch von statten. Auch gab es im Zieleinlauf nirgends eine Möglichkeit, dass man sich mal hinsetzen konnte. Der Boden war vom Regen nass – das machte nun nicht wirklich Sinn, sich da hinzusetzen. Also musste ich alles irgendwie mitschleppen, noch kurz ein paar Fotos machen und zur Gepäckaufbewahrung weitergehen.

Hier gab es aber die nächste Schwierigkeit – wir mussten den Zieleinlauf queren. Und dazu waren lediglich zwei enge Bereiche eingerichtet. Nun hieß es warten. Die Ordner waren sichtlich überfordert und die Masse organisierte sich die Querung überraschend rücksichtsvoll im Hinblick auf die einlaufenden Läuferinnen und Läufer selbst. Das war großartig mit anzusehen. Keiner hatte gesteigerte Lust, durchgeschwitzt in der nassen Kälte länger als nötig im Freien rumzustehen. Dennoch nahmen alle Rücksicht und querten den Zielkanal nur, wenn es auch Möglichkeiten gab – top sportlich!

Tasche geholt, auf die Tribüne zurück gegangen und dort erst einmal alles sortiert, umgezogen und verstaut. Gleichzeitig konnte ich zusehen, wie die weiteren Läuferinnen und Läufer das Ziel erreichten.

Was die Verwirrung um die Streckenführung angeht – Im Internet wird gerne „The Brussels Marathon“ beworben, der dann aber auf „The Brussels Airport Marathon & Half Marathon“ verlinkt ist. Auch werden unter dem Thema „Brussels Airport Marathon & Half Marathon“ Bilder der Brüsseler Innenstadt gezeigt. Sehenswürdigkeiten, wie der Cinquantenaire-Bogen, der Brüsseler Marktplatz, das Europa-Viertel oder gar die Brüsseler Innenstadt werden jedoch nach aktueller Streckenführung überhaupt nicht angelaufen.

Insofern bleiben dieser Halbmarathon und Marathon deutlich hinter den Möglichkeiten im Vergleich zu anderen Hauptstadt-Läufen zurück. Die Streckenführung ist teilweise echt haarig, wenn ich an das Hafengebiet denke. Hier muss man höllisch aufpassen, dass man sich nicht der Länge nach hinlegt. Der Einlauf im Stadion und das Umfeld um das Atomium hingegen werten den Lauf dann wieder ein wenig auf. Alles in allem bleibt es aber bei einem B-Lauf. Brüssel hat so viel mehr zu bieten und offensichtlich fand der Lauf früher ja auch erwartungsgemäß im Bereich der Hotspots der Stadt statt. Da muss es definitiv wieder hin zurückgehen.

Insofern scheint es hier eine Änderung der Streckenführung gegeben zu haben, die noch nicht bei allen angekommen zu sein scheint. Nach meinen Recherchen beim Veranstalter wurde die Strecke dieses Jahr tatsächlich erstmals geändert. Warum man das getan hat, konnte ich allerdings leider nicht herausfinden.

Alles in allem aber ein annehmbarer Lauf, der dazu einlädt, bei neuerlicher Änderung der Streckenführung, zurückzukommen – was ich sicher machen werde.

Be on track und allzeit gute Läufe!

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..