Am vergangenen Wochenende war ich Laufen. 2o Grad, Sonnenschein, Sand und Olivenbäume. Ok, es war nicht in unseren Gefilden. Hierzu musste ich rund 2.200 Kilometer weiter in den Süden – nach Sfax in Tunesien – reisen. Sfax ist eine Wirtschafts- und Industriestadt und eher bekannt für seine Olivenölproduktion als für sportliche Höchstleistungen.
Ich war zwar nur zwei ganze Tage dort, habe aber soviel erlebt, dass ich sagen kann, dies war nicht nur ein Lauf sondern ein echtes Lauferlebnis.
Der erste Tag – Wenn Zeit nicht gleich Zeit und Zahlen relativ sind
Dass in Tunesien die Uhren anders laufen, habe ich gewusst. Aber es wurde mir bereits nach meiner Ankunft am Flughafen in Tunis erneut vor Augen geführt. Mein Tunisair-Flug war top pünktlich, so dass ich exakt um 16 Uhr am Schalter von Europcar stand, um meinen Wagen in Empfang zu nehmen. Immerhin musste ich ja noch 3 Stunden in den Süden nach Sfax fahren. Hier stellte sich dann direkt das erste Problem ein.
Die Bereitstellung des Autos verzögerte sich um ganze eineinhalb Stunden. In der Zwischenzeit hatte ich Gelegenheit bei einem örtlichen Mobilfunkanbieter eine Datenkarte zu kaufen, so dass ich nicht ganz von der Kommunikation abgeschnitten war. Das klappte auch alles super. Gegen halb sechs konnte ich dann losfahren. Versuchen Sie aber mal im Abendverkehr aus Tunis rauszukommen. Dies gelingt in akzeptabler Zeit nur dadurch, weil der Tunesier aus drei Spuren sieben macht. Klar, warum auch nicht. Wenn sieben Autos nebeneinander Platz haben, dann ist dies die praktizierte maximale Ausnutzung des vorhandenen Raums.
So ging es ein wenig wie im Autoskooter, aber ohne Crash, aus der Stadt hinaus. Die komplett ausgebaute Autobahn war ein Traum und um 21 Uhr erreichte ich endlich Sfax und die Jugendherberge Auberge Ibn Sina. Hier hatte ich für zwei Nächte und 24 Euro ein Doppelzimmer nur für mich gemietet – ein Traum, auch wenn es spärlich eingerichtet war.
Am nächsten Morgen stand Stadtbesichtigung oder besser die Besichtigung der Medina von Sfax auf dem Programm. Ein echtes Erlebnis. Wer schon einmal eine solche Medina mit seinen Souks besucht hat und dies nicht unbedingt in einer touristisch geprägten Stadt, der weiß, wovon ich rede. Um 14:30 Uhr hatte ich mich mit Naamen Bouhamed, dem Organisator des Laufs, verabredet. Ihn kannte ich von Facebook und am vorherigen Abend hatte ich ihn bereits am Flughafen getroffen.
Treffpunkt sollte vor der Sfax Municipality, also der Stadtverwaltung sein. Hier wehte zwar Werbung, aber von einem Stand oder gar Naamen war weit und breit nichts zu sehen. Ok, wie komme ich nun an meine Startunterlagen, dachte ich? Dann sprach mich Julie an. Julie Al-Zoubi wohnt auf Kerkennah, einer Inselgruppe vor Sfax und ist Freelance Writerin für Olive Oil Times und Bloggerin. Auch Sie suchte Naamen. Also starteten wir eine Telefonaktion mit den uns bekannten Rufnummern. Nach 20 Minuten meldete sich dann Naamen und sagte uns, dass er vor der Medina, am Stadttor Bab Diwan stehe. Top, 200 Meter hinter uns liegt dieses und wir gingen dort hin.
Tatsächlich fanden sich hier zahlreiche Stände, Sponsorenplätze und die Registrierung. Ich bekam meine Nummer, auch wenn ich gar nicht auf der Liste stand, aber so ist das halt. Was nicht passt, wird eben passend gemacht.
Naamen hatte aber noch was mit uns vor. Marketing ist alles und da hat er echt was drauf. Im Rahmen einer „Vor-Marathon-Party“, die außerhalb der historischen Medina von Sfax vor dem Stadttor Bab Diwan stattfinden sollte, erhielten wir Sefsaris und Jebbas, tunesische und sfaxische traditionelle Kleidung.
In dieser tunesichen Tracht liefen wir dann vor der Medina her und wurden wahrlich zum Fotoobjekt. Dass unser Programm nun aber beendet sei, wäre zu kurz gedacht gewesen. Jetzt ging es erst richtig los. Eine Musikgruppe spielte plötzlich an und es wurde zum Tanz gebeten. Die Gruppe aus Läufern aus Groß-Britannien, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Äthiopien, Marokko, Algerien und natürlich aus Tunesien wurde voll einbezogen. Der Platz vor der Medina war brechend voll und wir mitten drin.
Schlussendlich lernte ich noch den Star dieses und des nächsten Tages kennen. Mohamed Kazdaghli, ein 82 jähriger, aber topfitter Mann, dessen Sohn in Bremen lebt. Wir kommen auf Deutsch, Französisch und ein paar Brocken Englisch ins Gespräch. Er läuft am nächsten Tag „nur“ den 10 Kilometer-Lauf. Man muss sich ja auch mal schonen. Mohamed treffe ich am nächsten Tag wieder und muss sagen – Hut ab vor diesem Mann.
Der Laufsport ist in Tunesien noch in den Kinderschuhen und Naamen berichtete von seinen Problemen und Lösungen, wie er auch die Offiziellen immer wieder von seinen Ideen schwer, aber schlussendlich erfolgreich überzeugen konnte.
In den vergangenen fünf Jahren hat Naamen einiges erreicht, um Sfax in eine internationale Drehscheibe des Sporttourismus zu verwandeln. Er arbeitet unermüdlich, um Läufer anzuziehen. Seine Bemühungen führten bisher zur Entwicklung eines schnelleren Laufkurses für Athleten und zur Sicherung international anerkannter Zertifizierungen für die Veranstaltung. So ist der Lauf AIMS/IAAS (Association of International Marathons and Distance Races) zertifiziert und war zudem qualifizierter und zertifizierter Laufkurs für die olympischen Spiele 2016 in Rio.
Naamens Vision ist ein groß angelegter Marathon, der die Geschichte und Kultur Sfax’s umfasst. Der „Marathon der Olivenbäume“ soll zu einem Weltklasse-Sport-Event auf Augenhöhe mit denen in London und New York werden.
Nach diesem erlebnisreichen Start in Sfax ging es dann mit einem französischen Läuferkollegen quer durch die Medina wieder zurück zur Jugendherberge. Abends gab es dann noch völlig läuferunkonform Pizza und Cola.
Im zweiten Teil des Blogs berichte ich über den Lauf an sich.