Heute stelle ich das Fazit mal als Eyecatcher direkt an den Anfang meines Laufberichts. Der Stern in der Nationalflagge Marokkos stand diesmal für mich mindestens mal auf Halbmast, wenn nicht tiefer, aber dazu jetzt mehr.
Marokko sollte es sein. So früh in der Saison war ich mit einem Halbmarathon noch nie. Aber ich fühlte mich gut, gesund und das Laufen lief auch, also sprach nichts dagegen, das Handgepäck zu schultern und in den Norden Afrikas aufzubrechen.
Intro – Ankommen in Marrakesch
Nach knapp 4 Stunden Flugzeit landeten wir pünktlich auf dem Flughafen Marrakesch-Menara. Nach diversen Gepäck- und Passkontrollen war ich schnell in der Sonne, konnte ein wenig Geld tauschen und erwischte noch den Bus in die Stadt, dessen Fahrer scheinbar alle Sprachen sprach, die er gerade benötigte. Ein netter Typ, mit dem die Fahrt recht kurzweilig war.











Am Djemaa el Fna, dem Platz der Gehenkten, angekommen, musste ich mir meinen Weg durch den Souk zu meinem Riad, dem Riad Leila, bahnen. Suchen musste ich nicht, da Google Maps oder MapsMe wunderbar funktionierten.
Im Riad angekommen bezog ich mein kleines Zimmer ohne Fenster und machte mich für den ersten Ausflug fertig. Ziel, der Zentralbahnhof von Marrakesch. Hier gab es einen Stand des Veranstalters, an dem man seine Startnummer und alles weitere abholen konnte.
Als ich am Djemaa el Fna wieder vorbeikam, um den Bus zu besteigen, gab es auch hier einen Werbestand für den Marathon. Ich nutzte die Gelegenheit und versicherte mich, dass es den Stand mit den Startnummern am Bahnhof auch wirklich gab. Ich stellte fest, dass man es mit der Ortsangabe nicht so genau nahm. Der Platz, der ausgewiesen war, war der Place du 16 Novembre, der aber rund einen Kilometer vom Bahnhof entfernt lag. Der Platz am Bahnhof hieß aber Place Al Massira. Immer gut, wenn man also gemeinsam herausfindet, wo sich was befindet. Wir einigten uns auf die einfache Sprachregelung „Gare de Marrakech“, also am Bahnhof.
Hier angekommen, stand direkt vor dem Eingang der großen Bahnhofshalle ein kleines Zelt. Ich legte meine Unterlagen vor und erwartete meine Startnummer. Zunächst herrschte aber Konfusion. Man wusste nicht so genau, was zu tun ist. Also sprach man die graue Eminenz im Hintergrund des Zeltes an, die sehr gelangweilt vor einem Notebook saß und wohl das System beherrschen sollte. Keine Reaktion – 5 Minuten warten – dann wurde die 8.486 nach vorne durchgereicht. Dazu gab es dann noch ein T-Shirt in XL. Mein Fehler war, dass ich nicht nach größeren Größen fragte. Das Hemd saß extrem sexy und körperbetont. Nun bin ich aber nicht Bodybuilder, also tauschte ich mein T-Shirt am nächsten Tag noch einmal in XXL um.










Ich hatte da so eine Vorahnung, als ich meine Nummer bekam. Ein Griff nach rechts in eine Tüte, eine Startnummer wurde herausgefischt und durchgereicht. Keine Eingabe im System – wie konnte die Eminenz ohne Reaktion wissen, dass das meine Startnummer war? Das Ergebnis sollte ich am Sonntag, dem Lauftag, erfahren.
Die nächsten zwei Tage hatte ich nun zur Verfügung, um mir Marrakesch ausgiebig anzuschauen. Diese Stadt lohnt absolut einen Besuch und mir war schnell klar. Hier war ich nicht zum letzten Mal.
Lauftag – 1. Halbmarathon der Saison
Sonntagfrüh – Lauftag. Seit Samstag war ich im geistigen Ausnahmezustand. Ich hatte festgestellt, dass der Halbmarathon nicht um 8:30 Uhr, wie der Marathon, sondern erst um 9:45 Uhr starten sollte. Ob ich mich verguckt hatte oder aber der Veranstalter eine Änderung vorgenommen hatte, war unklar. Problemstellung, mein Rückflug startete bereits um 14:10 Uhr. Bei großzügigen 2 Stunden Laufzeit und einer Fahrt zum Flughafen von 30 Minuten, wenn alles glatt läuft, wäre ich also erst zwischen 12:30 und 13 Uhr am Flughafen. Dann die aufwendigen Kontrollen und ein frühzeitiges Schließen des Gates – da kam einiges zusammen.
So hatte ich mir einen Fahrer gebucht, der mich gekonnt durch das, aufgrund der gesperrten Straßen, herrschende Verkehrschaos zum Flughafen bringen sollte. Spoiler vorab – das funktionierte wirklich reibungslos.
Der Startbereich auf der Av. Prince Moulay Rachid, gegenüber dem Hotel Sofitel Marrakesch, war sehr großzügig bemessen. Ich suchte zunächst die Gepäckaufbewahrung, von der auch nicht wirklich klar war, ob es die überhaupt gibt. Wenn es ganz dumm gelaufen wäre, hätte ich meine Tasche wieder ins Riad bringen müssen, um sie dann wieder zu holen. Den Rückflug hätte ich so direkt knicken können. Aber es gab ein Beduinenzelt, in dem ich meine Sachen deponieren konnte und insofern war dieses Problem erst einmal gelöst.

Ich machte mich also lauffertig und schaute dem regen Treiben auf der Avenue zu. Die Sonne war noch nicht richtig aufgegangen und der Himmel erschien in einem leichten rot. Eine schöne angenehme Stimmung. Dann ordnete ich mich im Läuferfeld irgendwo in der gefühlten Mitte ein. Pacer gab es leider nicht, so dass schwer abzuschätzen war, ob ich einigermaßen gut aufgehoben war. Um Punkt 9:45 Uhr erfolgte der Startschuss und das Läuferfeld setzte sich langsam in Gang. Wir durchquerten eine Engstelle, ein Zelt mit Tischen – das sollte später noch zu erheblichen Problemen führen – um dann langsam auf die Strecke zu kommen.
Die Sponsoren hatten Ihre eigenen, mit Luft aufgeblasenen, Tore mitgebracht. Das Tor von Volkswagen hatte aber bereits den Geist aufgegeben, so dass wir uns unten drunter durch mogeln mussten. Nach 500 Metern bogen wir nach links in den Boulevard Mohammed VI. ab und waren dem größten Trubel entlaufen. Das Läuferfeld konnte sich gut sortieren, nicht zuletzt auch durch die breiten Straßen und Fußwege. Ich kam gut in den Lauf rein. Es war noch kühl, auch wenn die Sonne von vorne bereits ordentlich an Kraft gewonnen hatte. Dadurch, dass es keine zeitliche Einordnung durch Pacer gab, war das Läuferfeld komplett durchmischt und man musste permanent schauen, dass man jegliche Überholmöglichkeiten auch nutzte. Ich lief streckenweise nicht auf der Straße, sondern auf dem daneben befindlichen Fußweg. Dadurch kam ich besser in ein gleichmäßiges Lauftempo.
Nach knapp 2,5 Kilometern Laufstrecke bogen wir erneut rechts ab, um über die Avenue de la Ménara die nächsten zweieinhalb Kilometer geradeaus in die Nordstadt geführt zu werden. Links von uns lag der Flughafen. Die Nordstadt erreicht, bogen wir nach rechts in die Avenue Hassan II. ein, die uns wieder Richtung Marrakeschs Innenstadt führen sollte. Wir kamen am Zentralbahnhof und dem gegenüberliegenden Théâtre Royal Marrakech vorbei, bevor wir nach knapp 8 Kilometern Laufstrecke den Place El Mourabitene mit dem großen Busbahnhof und dem Stadttor Bab Doukkala erreichten.










Die Straßen waren voll. Einerseits von wartenden Autos, die aber immer schön im Takt hupten, um das Läuferfeld anzufeuern, andererseits von den vielen Fußgängern und Zuschauern, die am Straßenrand anfeuerten. Eine großartige Stimmung. Hier, am Bab Doukkala, gab es auch die erste Verpflegungsstation mit Wasser und Schwämmen. Ich nutzte vor allem das Wasser, da ich merkte, dass ich langsam schlapp wurde. Die pralle Sonne von vorne forderte ihren Tribut. Kühl war es auch schon länger nicht mehr. Insgesamt war es zwar angenehm, aber durch den Lauf und die direkte Sonne potenzierte sich die Wärme noch.
Durch das viele Wasser der Schwämme wurde die Straße spiegelglatt und man musste aufpassen, nicht hinzufallen. Ich suchte mir eine Möglichkeit am Rand langzulaufen, was auch ganz gut funktionierte. Über die Avenue du 11. Janvier ging es nun weiter immer entlang der alten Stadtmauer von Marrakesch. Die Sonne wurde immer stärker und ich merkte, dass ich langsamer wurde und es mir schwerfiel, Power auf die Straße zu bringen. Kurz vor Kilometer 10 bogen wir in die Rue de Remparts ab, die der Stadtmauer folgen sollte. Hier musste ich das erste Mal Schritt gehen, da ich keine große Kraft mehr hatte.
Es geht abwärts – mit der Kondition
Ich fragte mich, ob ich so wohl überhaupt im Ziel ankommen würde, wenn ich jetzt schon platt wäre. Ich sah die diversen Stadttore und überlegte, ob ich abbrechen soll, um durch die Souks und die Innenstadt direkt wieder zum Ziel zu gehen. Aufgrund der Enge in den Gassen hätte ich vermutlich aber länger gebraucht, als einfach weiter zu laufen. Gleichzeitig wurde mein Zeitfenster immer kleiner. 10 Kilometer gelaufen und ich hatte einen totalen Einbruch. Meine Pace war bisher im guten 5er Bereich. Jetzt tendierte ich zu 6 min/km und langsamer.
Aber es half nichts. Ich musste irgendwie im Ziel ankommen und vor allem dann auch pünktlich zum Flughafen. Eine unschöne Situation. Jede Wasserstation, und es gab nicht viele, wurde zur Bunkerstelle. Ich nahm, was ich kriegen konnte. Teilweise mit zwei halbe Liter Flaschen im Gepäck lief ich weiter. Bei Kilometer 13 bogen wir nun auch noch nach links in den Boulevard du Golf ab, also weg von der Stadtmauer und südlich von der Stadt weg. Jetzt war nun wirklich nicht mehr an einen Abbruch zu denken. Und ich hatte auch keine Lust meinen ersten DNF (did not finish) zu kassieren. Also biss ich mich durch.
Bei Kilometer 14 bogen wir erneut nach links in die Avenue Tassiltante ab und liefen nun komplett gegen die Sonne. Links von uns befand sich der Stadtteil Sidi Youssef Ben Ali, rechts von uns die vermutlich schönen Agdal-Gärten, die bei Anwesenheit dem König vorbehalten sind. Kurz nach Kilometer 15 bogen wir dann nach rechts in die Route d’Agdal ab, die uns durch die weitläufigen Gärten führte. Von den Gärten war jedoch nichts zu sehen, da diese von Mauern abgeschirmt waren.
Bei Kilometer 17 erreichten wir das Gelände Parc Marrakech Expo, das eine riesige Freifläche war. Ich konnte quer hinüberschauen und die anderen Läufer sehen. Da hinten musste also irgendwo Kilometer 18 oder 19 sein. Ein Läufer nutzte die Freifläche und lief quer hinüber. Ob ihm wohl auch die Puste ausgegangen war? Abkürzen kam für mich aber nicht in Frage und schon gar nicht kurz vor dem Ziel. Es wäre auch nicht belohnt worden, da kurz vor Kilometer 19 eine Messstelle war. Die hatte der Kollege geflissentlich durch sein Abkürzungsmanöver ausgelassen.
Ich musste jetzt immer mehr Schritt gehen. Mein Blick ging immer wieder zur Uhr. Tick tack, tick tack. Die Zeit verstrich und gefühlt nahm es kein Ende. Bei Kilometer 18 hatten wir wieder den Boulevard Mohammed VI. erreicht, der uns bis an die Avenue Prince Moulay Rachid, der Ziellinie, führen sollte. Bei Kilometer 19 gab es die erwähnte Zeitmessung und kurz vor einem Kreisverkehr, in dem die Marathonläufer abbogen, eine weitere Wasserstelle. Der Gedanke kam auf, wie schlimm es jetzt wäre, noch weitere 23 Kilometer laufen zu müssen. Aber jetzt war es für mich nicht mehr weit und ich biss mich weiter durch. Dann stand am Straßenrand ein großes gelbes 20 km-Schild. Nun war es fast geschafft.
Alles wird gut im Ziel – oder doch nicht?
Wir bogen in die Avenue Prince Moulay Rachid ein und ich sah die diversen Torbögen der Sponsoren. Der Volkswagen-Bogen stand mittlerweile wieder, wobei mir nun die Puste ausgegangen war. Ich hing mich mit letzter Kraft an einen Läufer und ließ mich ins Ziel ziehen. Dass ich noch Lust hatte, konnte ich nicht bejahen. Entlang der Tribüne mit den Ehrengästen ging es ins Ziel. Ich bot wahrscheinlich ein jämmerliches Bild, aber mit Sicherheit war ich nicht allein.










Über den blauen Teppich ging es nun durch den Zielbogen und über die Messlinie. 2:08:36 Stunden, was für eine grottenschlechte Performance. Meine üblichen Ziele, unter 2 Stunden, vielleicht sogar unter 1:50 Std. zu bleiben, waren pulverisiert. Dennoch war ich froh, bis zuletzt durchgezogen zu haben. Kein DNF, dafür eine Zeit, wenn auch eine, die man getrost als negatives Outperform bezeichnen konnte.
9.622 Finisher kamen mit mir ins Ziel, unter denen ich den Gesamtplatz 5.015 erreichte, also irgendwo noch im Mittelfeld. Bei den Männern kam ich auf Platz 4.437 (7.451). Die Altersklasse wurde nicht ausgewertet.
Nun war es bereits kurz vor 12 Uhr und ich stand im Stau. Der Lauf war zu Ende und es ging nicht weiter. Keine Medaille, kein Wasser, kein gar nichts. Wir mussten alle durch das zu Beginn erwähnte Start-/Zieltor. Dieses war so eng, dass es wie ein Flaschenhals wirkte. Die Masse war stinksauer und man äußerte sehr deutlich vernehmbar seinen Unmut. Ich hatte dafür aber keine Zeit und versuchte mich durch die Masse hindurchzuschieben, da ich zum Flughafen musste. Dies war aufgrund der aufgeheizten Situation nicht so ganz einfach. Meine marokkanischen Mitläufer zeigten aber Verständnis, während die Europäer eher mit Unverständnis reagierten. War mir alles egal. Mich kannte keiner, ich musste da jetzt durch.
Wasserflaschen wurden in die Menge geworfen. Leider bekam ich keine ab. Meine Medaille griff ich mir aber dennoch und dann hastete ich zum Beduinenzelt und holte meine Tasche. Nun musste ich die Avenue Prince Moulay Rachid wieder 600 Meter zurücklaufen, denn dort wartete bereits mein Fahrer. Anmerkung – ich hatte immer noch kein Wasser. Aber als ich den Wagen sah, war mir eh alles egal. Hauptsache rein und zum Flughafen. Alles weitere würde sich irgendwie fügen.










Am Flughafen war ich dann schon überrascht. Hier kam ich in meiner Läuferkluft an und wurde überall mit großer Fürsprache und Nachfrage durchgewunken. Tickets waren ruckzuck ausgestellt. Der Pass wurde im ersten Schritt nur am Rande kontrolliert, von der Tasche ganz zu schweigen und die eigentliche Passkontrolle verlief auch eher in einem Kurzbericht über den Halbmarathon. Sage und schreibe 30 Minuten und ich stand in der Abflughalle. Hätte ich das gewusst, hätte ich die Tage vorher besser geschlafen.
Abschied von Marrakesch – Wasser bunkern
Nun stand Herrichten, Umziehen und viel trinken auf dem Programm. 1,5 Liter Wasser, 1 Liter Cola Zero, und zwei 500 ml Flaschen Schweppes gingen, ohne groß abzusetzen, rein. Endlich geschafft. Jetzt konnte ich zum Flieger.
Der Marrakesch-Halbmarathon ist ein Erlebnis, wenn man weiß, worauf es ankommt. Ich werde diesen Lauf sicher noch einmal laufen, allein, um eine vernünftige Zeit zu bekommen. Dann aber mit Wasserblase auf dem Rücken. Organisatorisch ist vieles sehr gut, nur nicht kommuniziert. Das sollte sich wirklich bessern. 4 Toiletten im Startbereich sind bei knapp 10.000 Teilnehmern nicht erwähnenswert. Die Wasserversorgung ist schlecht – und das ist das Wesentliche, denn hier geht’s um die Gesundheit.
Funfact zur Startnummernausgabe – meine Startnummer war tatsächlich nicht mit mir verbunden. Die 8.486 ist zwar gelaufen, aber nicht mit mir. Die Nachbearbeitung mit dem Zeitmessunternehmen funktionierte jedoch wirklich reibungslos und schnell, so dass ich montags bereits meine korrekten Werte hatte. Nun hatte der Lauf auch offiziell für mich stattgefunden. Das hatte ich mir aber auch wahrlich verdient.
Ansonsten kann ich den Lauf nur empfehlen, allein auch in Kombination mit der Stadt an sich. Informationen findet man entweder auf der Website von Marrakesch Marathon oder auf den zahlreichen Laufveranstalterseiten.
Es war ein etwas aufregender Saisonstart, aber jetzt bin ich drin in der Saison. Jetzt kann es loslaufen. Next Stopp Malta. Euch wünsche ich allzeit gute Läufe!