18. Pólmarathon Warszawski – Start der Laufsaison mit Polens größtem Halbmarathon (21,1 km/HM)

Mit der 18. Auflage läutet der Warschau Halbmarathon, der größte in Polen, die Laufsaison in der Hauptstadt ein. Dieser Halbmarathon ist eine gute Gelegenheit, nach dem Wintertraining die Form zu überprüfen oder sich einfach über einen Lauf in frühlingshafter Atmosphäre zu freuen.

Für mich war Polen zunächst eine Notlösung, da ich am Split Halbmarathon, genau einen Monat früher, verletzungs- und erkältungsbedingt noch nicht teilnehmen konnte. Die Bronchien waren nach einer Corona-Erkrankung Anfang Dezember immer noch nicht richtig frei und zudem laborierte ich an einer Muskelverhärtung im Oberschenkel.

Ich hatte die Zeit genutzt und viel unternommen, um wieder fit zu werden. Dehnen ist nicht so meins, schien aber unerlässlich. Und so habe ich meine Muskel jeden Tag gedehnt und in Form gebracht. Die ersten Testläufe sahen vielversprechend aus und ich hatte den Eindruck, dass ich den Lauf zumindest mal versuchen könnte und so setzte ich mich in den Flieger und flog Ende März nach Warschau.

Hier war es alles andere als frühlingshaft. Die Wetteraussichten waren schlecht. Regen, Sturm und kalte Temperaturen waren angesagt. Freitagnachmittag holte ich meine Startunterlagen aus dem stalinistischen Kulturpalast, der die gesamte Umgebung dominierte, ab und besichtigte noch ein wenig das Umfeld. Samstag folgte dann die Stadtbesichtigung. In der Altstadt besichtigte ich die Warschauer Kathedrale und genoss die morgendliche Ruhe. Als ich rauskam, blendete mich plötzlich die Sonne. Die Wolken waren weg und die Sonne war herausgekommen und sollte bis zum Nachmittag bleiben. So konnte ich bei bestem Wetter die Altstadt besichtigen.

Am Nachmittag kam dann wieder heftiger Regen auf und ich nutzte den restlichen Tag, um meine Sachen für den Lauf zu ordnen.

Der Sonntagmorgen sah trübe, aber trocken aus. Da der Lauf erst um 11 Uhr beginnen sollte, holte ich mir zum Frühstück Rührei und ein Brötchen. Das war es dann auch – was aber schade war, denn das polnische Frühstück ist sehr üppig, aber vor einem solchen Lauf sicher eine schlechte Idee.

Um 9:30 Uhr schnappte ich mir einen Elektroroller und führ in Richtung Poniatowski-Brücke und dem Nationalstadion. Hier sollten der Start und das Veranstaltungsgelände sein. Den Start fand ich recht schnell, da er genau auf der Brücke war. Ich stellte den Roller ab und folgte den übrigen Läufern. Es ging einmal um das Stadion herum, bis das Veranstaltungsgelände in Sicht kam. Knapp 15 bis 20 Minuten brauchten wir und erlebten auf der riesigen Freifläche hinter dem Stadion, dass der Frühling wohl noch auf sich warten lässt. Der Wind war eisig und das trübe Wetter sorgten nicht gerade für Behaglichkeit.

Ich flüchtete mich in die Garderobe für die Männer, die logischerweise völlig überfüllt war, steckte meine Startnummer an, wärmte mich noch ein wenig auf und ordnete die restlichen Sachen, die ich für den Lauf brauchte. Dann brachte ich meinen Beutel zur Gepäckaufbewahrung. Meine Startnummer 12.625 zeigte mir, dass ich nicht allein war. Rund 14.000 Läuferinnen und Läufer sollten heute den Halbmarathon bestreiten.

Strecke Warschau

Zurück am Startfeld, vor der Poniatowski-Brücke, suchte ich die Mitte der Läuferinnen und Läufer. So konnte ich mich warmhalten und war nicht dem eisigen Wind ausgesetzt. Neben mir stand ein 1:55-Pacer, dem es sichtlich kalt war. Rund 20 Minuten musste er noch aushalten, bevor der Startschuss fiel. Die Ambulanz, die ebenfalls neben uns stand, sollte doch wohl kein böses Omen sein?

Dann pünktlich um 11 Uhr fiel der Startschuss und die ersten Läufer begaben sich auf die Strecke. Ich hatte mich im Feld der 1:55-Pacer eingereiht, da dies mein hehres Ziel war. Eigentlich wollte ich ja nur ankommen. Es gab zu viele unbekannte Variablen. Was macht mein Oberschenkel links, wie reagiert mein Muskel rechts? Dann wanderten wir langsam Richtung Startlinie und aus dem Gehen wurde ein langsames Laufen.

In Höhe des Stadions dann plötzlich blauer Himmel von rechts. Wir erreichten den Startbogen, starteten die Uhren und liefen auf die Poniatowski-Brücke. Ziemlich in der Mitte der Weichsel angekommen, kam die Sonne raus und es wurde angenehm warm. So sollte es den ganzen Lauf über bleiben. Manchmal muss man einfach Glück haben.

Ich versuchte an den 1:55-Pacern dranzubleiben, was allerdings schwierig war, mir aber dennoch gelang. Bei 14.000 Teilnehmenden verteilt sich das Feld quasi gar nicht. Man muss eher sehen, dass man von Anfang an in der richtigen Zeitbox steht, sonst wird es schwierig. Dass dies nicht alle verstehen, zeigte sich recht schnell, da ich immer wieder zusehen musste, wie ich an bedeutend langsameren Läufern vorbeikommen konnte. Zu allem Überfluss liefen viele Läufer auch mit Kopfhörern, was immer häufiger zu sehen und eine Unsitte ist. Die Läufer bekommen nichts mit, laufen nicht gerade, sondern rüber und nüber, rennen anderen in den Weg, behindern andere und gefährden sich damit selbst. Grundsätzlich ist das Tragen von Kopfhörern verboten, aber viele halten sich eben nicht dran. Eine konsequente Disqualifikation wäre sicher hilfreich und für alle ein echter Gewinn.

Von der Poniatowski-Brücke ging es nun über die Jerusalemer Allee Richtung Kulturpalast und dem Stadtteil Śródmieście. Nach knapp 2 Kilometern erreichten wir den Kreisverkehr Rondo Charles de Gaulle, der im Warschauer Sprachgebrauch auch nur als „Die Palme“ bezeichnet wird, da hier im Jahre 2002 eine künstliche Palme als Kunstwerk aufgestellt wurde. Die Römischen Legionäre, die ich plötzlich überholen konnte, kannte ich bereits aus einem Laufbericht. Sicher nicht gerade unanstrengend mit Umhängen, Lanzen, Schildern, Schwertern und Helmen, einen Halbmarathon zu laufen. Kurz danach erreichten wir einen weiteren großen Kreisverkehr, den Rondo Romana Dmowskiego. Hier bogen wir nun nach rechts in die Marszalkowska-Straße ab. Links von uns lag der riesige Kulturpalast und im Hintergrund die Wolkenkratzer rund um den Warschauer Zentralbahnhof.

Nach weiteren eineinhalb Kilometern erreichten wir den Sächsischen Garten, eine Parkanlage, die auf Veranlassung des sächsisch-polnischen Königs August II. dem Starken zwischen 1713 und 1733 im Barockstil angelegt wurde. Hier bogen wir nach rechts in die Królewska-Straße ein, um nach einem weiteren Kilometer nach links in die Krakauer Vorstadt-Straße abzubiegen, die uns zum Präsidentenpalast führen sollte. Hier hatte sich eine Militärkapelle aufgebaut und begrüßte die Läufer mit schmissiger Musik.

Nun ging es weiter Richtung Altstadt, der Stare Miasto. Kurz vor Erreichen des alten Königspalastes bogen wir in Höhe der St. Anna-Kirche nach links in die Miodowa-Straße ab, die uns um die Altstadt herum weiterführen sollte. Bis hierhin hatten wir bereits rund 5 Kilometer geschafft und wir erreichten die erste Verpflegungsstation. Die Helfer hatten alle Hände voll zu tun. 14.000 Teilnehmer hatten Durst und mussten versorgt werden. Leider waren die Becher nur wenig gefüllt, so dass ich mir an dem langen Verpflegungsstück mehrfach einen Becher besorgen musste, was Zeit kostete. Die 1:55-Pacer liefen weiter und ich musste diese wieder einholen.

Es folgte auf der rechten Seite der Krasinski Palast, der die Straße überspannende Gebäudekomplex des Instituts für Nationales Gedenken und der Kommission zur Verfolgung von Verbrechen gegen die polnische Nation sowie rechts davon das Oberste Gericht Polens. Ein Eindrucksvolles Ensemble in Form eines Hufeisens über der Miodowa-Straße.

Bei Kilometer 6 erreichten wir die Muranowska-Straße, an der das Denkmal der im Osten Ermordeten und Gefallenen steht. Dieses zentrale Denkmal erinnert an die 500.000 Opfer von Massendeportation und Verfolgung, die Polen während der sowjetischen Okkupation im Zweiten Weltkrieg zu beklagen hatte. Ein imposantes und durchaus sehenswertes Denkmal, dem wir aber aufgrund unseres Laufes nur kurz Beachtung schenken können.

Nach dem Denkmal bogen wir rechts in die Adama Mickiewicza ab, der wir für rund 3 Kilometer bis in den Stadtteil Zoliborz folgen sollten. Hier war das Sightseeing nun auch beendet und wir befanden uns in den Vororten von Warschau. In einem langen Bogen überquerten wir die Schnellstraße S8 und erreichten bei Kilometer 10 den Vorort Marymont. Hier liefen wir weiter um den Ort herum, um die für uns gesperrte Schnellstraße S7, die Danzig mit Krakau verbindet, zu erreichen. Auf dieser ging es nun für rund 4 Kilometer immer entlang der Weichsel zurück Richtung Warschau.

Auf der Schnellstraße standen uns alle 3 Spuren Richtung Warschau zur Verfügung, so dass sich das Läuferfeld endlich ein wenig verteilen konnte und man auch ganz gut Gelegenheit hatte sich ein wenig „freizuschwimmen“.

Bei Kilometer 16, in Höhe der Warschauer Zitadelle, bogen wir dann aber nach rechts ab in die Rafata Krajewskiego, um über eine Schleife die Danziger Brücke zu erreichen. Kurz vor der Brücke gab es noch einmal eine Erfrischungsstation, die aber ziemlich abgegrast aussah. Wasser gab es in Massen, allerdings auf Palletten und eingeschweißt. Isotonische Flaschen lagen auf dem Boden, Becher lagen überall herum, aber nirgends standen volle Becher für uns herum. Ganz offensichtlich waren die Helfer dem Ansturm nicht gewachsen. So griff ich mir einen leeren Becher und eine halbvolle Isoflasche vom Fußboden und befüllte mir ein Glas. Das dauerte und kostete erneut Zeit. Die 1:55-Pacer, denen ich bisher gut voraus war, holten mich ein und überholten mich. Geschätzt hatte ich durch diesen Stopp rund eine halbe Minute verloren.

Nach der Verpflegungsstation überquerten wir erneut und ein letztes Mal die Weichsel und waren damit wieder auf der Seite des Nationalstadions. Ab Kilometer 18 liefen dann auf der anderen Seite der Weichsel für rund eineinhalb Kilometer weiter und bogen dann nach links in den Stadtteil Port Praski, in dem sich auch der Warschauer Stadthafen befindet, ein. Nun war es auch nicht mehr weit bis zum Nationalstadion, das man bereits in der Ferne liegen sah. Noch einmal die Eisenbahnstrecke zum Zentralbahnhof unterquert und nach rechts in die Zufahrt zur großen Freifläche eingebogen. Das Ziel lag plötzlich ganz nah vor uns und ich konnte noch einmal durchziehen. Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass die 1:55 Std. noch zu schaffen waren. Ich sah den Zielbogen, 1:55:10 Std., etwa noch 200 Meter zu laufen, noch einmal durchziehen und im Zickzack durch die Vorlaufenden hindurch geschlüpft. Dann war ich im Ziel.

Mit 1:55:43 Stunden hatte ich somit mein Minimalziel „Ankommen“, und das in unter 2 Stunden, allemal erreicht. Dass ich die 1:55 Std. realisieren würde, hatte ich mir erhofft, aber nicht erwartet. Nun hatte ich es aber komplett ohne Probleme geschafft. Gesamtplatz 5.826 von 13.422 Finishern konnte ich für mich verbuchen. In der Altersklasse M50, an die ich mich noch gewöhnen muss, reichte es für Platz 664 (1.266). Wenn ich den Zeitverlust an den Verpflegungsstellen mal rausrechne, wäre es sogar eine Zeit unter 1:55 Std. gewesen, was mich nun wirklich berechtigt hoffen lässt, dass die nächsten Ausflüge eventuell mal wieder eine 1:45 + hervorbringen könnten.

Nun war ich aber erst einmal sehr zufrieden, sicherte mir meine Medaille und wollte mich mit Wasser versorgen. Wir wurden durch einen engen Korridor geschleust, was schlicht weg nicht funktionieren konnte. So bildete sich ein langer Stau und gefühlt ging es nicht vorwärts. Fazit – das mit dem Wasser müssen wir noch einmal üben. Ich stieg somit über die Absperrung, nahm eine Abkürzung und verzichtete auf Bananen, Wasser und sonstige Erfrischungen. In meinem Kleiderbeutel war alles in Hülle und Fülle vorhanden.

Diesen schnappte ich mir und ging Richtung Start zurück, wo ich meinen E-Roller abgestellt hatte. War dieser wohl noch da? Nein, kaum einer war noch da. Ein einziger wurde mir angezeigt, der sogar zu 90 % geladen war. Wie konnte das? Ich reservierte ihn und ging zu ihm hin. Wo war er denn? Eigentlich sollte er auf dem Brückenstück stehen, stand er aber nicht. Als ich tiefer in die Karte zoomte, merkte ich meinen Fehler. Ich war an der richtigen Stelle, der Roller lag nur rund 3 Meter unter mir an der Böschung. Dies erklärte auch, warum er noch so voll war.

Also runtergeklettert, den Roller vor der Bedeutungslosigkeit gerettet und wieder zum aktiven Verkehrsteilnehmer gemacht. Damit ging es die rund 4 Kilometer zurück ins Hotel. Hier konnte ich mich dankenswerterweise waschen, umziehen und meine Sachen verstauen. Dann ging ich zum Zentralbahnhof und fuhr mit dem Bus zum Flughafen.

Der Warschau Halbmarathon ist sehr zu empfehlen. Insbesondere auf den ersten 10 Kilometern kann man von der Laufstrecke aus sehr gut Sightseeing betreiben. Danach wird es eher unspektakulär. Rund 14.000 Teilnehmer sind schon eine Ansage, da muss man auch mal verzeihen, wenn nicht jeder Becher vollgefüllt ist. Wasser uns Isotonische Getränke gibt es aber an der Laufstrecke reichlich, man muss es sich nur besorgen. Warschau ist als Stadt sicherlich ein riesiger Moloch, allerdings finden sich die Sehenswürdigkeiten auf engstem Raum wieder, so dass man diese gut zu Fuß oder aber mit dem E-Roller entdecken kann.

Wer sich mal informieren will, kann dies auf der Seite von Pólmaraton Warszawski machen oder aber auf der Facebookpräsenz von Maraton Warszawski . Nun kommt gut in die Saison und allzeit gute Läufe!

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