8. Volkswagen Bukarest Halbmarathon – Laufen im Paris des Ostens oder die vergessene Metropole (21,1 km/HM)

Welche Stadt wird auch „Paris des Ostens“ genannt? Ist es Prag, Beirut, Irkutsk oder gar Shanghai? Richtig sind alle vier Antworten. Kaum ein Beiname wird so häufig für eine Stadt verwendet wie „Paris des Ostens“. Fast ein Dutzend Städte weltweit gibt es, die sich mit der klangvollen Metapher schmücken. Wenn man Bukarest einmal erkundet hat, versteht man, dass auch Bukarest zu diesem illustren Städtepool gehört – zu Recht.

Aber auch ein weiterer interessanter Sightseeing-Punkt zieht an. Die Gigantomanie kommunistischer Baukunst, die sich nun ausschließlich und wirklich nur so in Bukarest bestaunen lässt.

Denn hier steht das zweitgrößte Verwaltungsgebäude der Welt, nach dem Pentagon in Washington. Der Name ist so eindrucksvoll und dennoch so gegensätzlich wahr, wie es die damalige Lebenswirklichkeit zu ließ – Palast des Volkes, heute Sitz des rumänischen Parlaments. Das Volk hatte wohl nur an einem Tag wirkliche Macht, dem 21. Dezember 1989, an dem das Regime Ceausescu‘s gestürzt wurde.

Geschichtsunterricht beendet. Auf jeden Fall war Bukarest für mich deshalb unbedingt eine Reise wert und wie es der Zufall will, gab es hier auch einen Halbmarathon, der in meinen Kalender passte. Gemeldet, Flug gebucht und ab nach Rumänien.

1.600 Kilometer weiter im Osten, nur rund 230 Kilometer vom Schwarzen Meer entfernt, entstieg ich dem Flieger und betrat den Boden der Walachei. Vom Flughafen aus ging es mit dem Bus in die Hauptstadt Rumäniens. Man konnte erahnen – hier schien jeder mindestens zwei Autos zu haben. Die Straßen in die Innenstadt waren total überfüllt. Gefahren wurde wo sich Platz bot. Ich erreichte nach einer Stunde Fahrt die Piata Unirii, den Einheitsplatz. Genau gegenüber lag mein Hostel, das Antique Hostel, welches absolut zu empfehlen war.

Der Rest vom Freitag und der Samstag stand für die Stadtbesichtigung bereit. Freitagnachmittag ging ich noch zur Sport-Expo, der Begleitveranstaltung vor dem Lauf, und holte mein Race-Kit, bestehend aus Startnummer, T-Shirt, ein paar Müsliriegeln, einer Trinkjoghurt und zahlreich Werbung ab. Um alles schleppen zu können, gab es auch noch einen stabilen Umhängesack. Im Hostel wurde dann erst einmal aussortiert.

Freitag und Samstag war es angenehm kühl, dafür aber das Wetter auch durchaus wechselhaft. Sogar einzelne Gewitter mit heftigen Schauern zogen durch. Sonntagfrüh dann Sonnenschein pur. Was das bedeuten sollte, machten die dampfenden Straßen recht schnell deutlich. Schwüle Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit prägten den Morgen. Nicht gerade meine Wunschbedingungen an einen Halbmarathon.

Die Sport-Expo hatte sich mittlerweile über die gesamte Piața Constituției (Platz der Verfassung), dem Platz vor dem Parlamentspalast, ausgebreitet. Zahlreiche Sportausrüster präsentierten sich, es gab eine Hängeseilbahn und einen Lego-Stand für Kinder, diverse Lounges, eine sogar mit Rollrasen und Bambuspflanzen, und reichlich Catering. Rund um, wirklich top organisiert und gestaltet. Der Start erfolgte ein wenig die Straße hinunter, gegenüber dem Izvor-Park. Hier sortierte ich mich in den Block B ein, der eine Finisherzeit von bis 1:45:00 Stunden vorsah. Ob das gelingen würde?

Pünktlich um kurz nach 9 startete auch unser Block, nach dem die Eliteläufer aus Afrika und die Wheelchairs gestartet waren. Kurz nach dem Start biegen wir in die Splaiul Independentei ab, die uns für rund 500 Meter entlang der kanalisierten und durch Bukarest fließenden Dâmbovița, entlangführt. Dann kreuzen wir den Fluß und laufen die folgenden zweieinhalb Kilometer immer Richtung Norden über die Starda Berzei und Strada Buzesti, bis wir bei Kilometer 3 die Piata Victoriei, einen riesigen Kreisverkehr, erreichen. Rechts von uns liegt der Regierungssitz, genau gegenüber Wohnblocks in ihrem ganz eigenen mondänen Charme.

Strecke Bukarest

Der nächste Streckenabschnitt kann fast als bewaldet bezeichnet werden. Die Șoseaua Kiseleff ist eine Hauptverkehrsstraße in Bukarest und gleichzeitig eine der top Adressen in der Stadt. Sie führt durch den Kiseleff-Park, ist im Weiteren durch mächtige Bäume begrünt und verbindet den Siegesplatz mit dem Triumphbogen und die Piata Victoriei. Die Straße wurde zu Ehren des Grafen Kiseleff, der die russische Militärverwaltung des Landes zwischen den Jahren 1829 und 1834 führte, benannt. Bis an den Triumphbogen, der nach dem Vorbild des Arc de Triomphe de l’Étoile in Paris, erbaut wurde, führt uns die Strecke jedoch nicht heran. Kurz vorher müssen wir wenden und auf gleicher Route wieder zurück bis zur Piata Victoriei laufen.

Höhenprofil

Die „bewaldeten“ rund dreieinhalb Kilometer genieße ich in dem ich den Schatten suche und mich immer am äußersten Rand der Strecke halte. Auf der Piata Victoriei folgt dann aber wieder die volle Bestrahlung. Von hier geht es die nächsten zwei Kilometer entlang der Calea Victoriei, die uns bis zum Athenäum, der rumänischen Staatsphilharmonie, führt. Kurz vor dem Königspalast biegen wir nach rechts ab und erreichen die Strada Ion Câmpineanu. Diese führt uns in einem Bogen wieder zurück auf die Piata Victorieri. So umlaufen wir quasi das Gebäude des ehemaligen Zentralkomitees der kommunistischen Partei, dem heutigen Innenministerium, auf dessen Balkon Ceausescu am 21. Dezember 1989 seine letzte 10-minütige Rede hielt, bevor das Volk das Gebäude stürmte und er per Helikopter fliehen musste.

Nach neuneinhalb Kilometern durch die Innenstadt erreichen wir wieder die Dâmbovița, kreuzen diese und laufen Richtung Parlamentspalast, den wir bei Kilometer 10 erreichen. Die Finisher des 10 Kilometer-Laufs hielten sich links, wir liefen rechts weiter an allen vorbei. Ich hätte lieber nicht nach links geschaut. Da lagen halbe Orangen, da gab es Wasser, Isostar und sonstige Erfrischungen. Der Gedanke, dass wir nun noch 11 Kilometer vor uns hatten, baute mich nicht gerade auf. Aber was war die Alternative? Kleine Etappenziele setzen und weiter ging es.

Wir liefen um die Piața Constituției herum und nun folgte das, was ich noch schlimmer finde als Hitze. Eine scheinbar endlose Straße, die nur eine Richtung zu kennen scheint, nämlich geradeaus. Der Bulevardul Unirii führte uns über vier Spuren über die nächsten dreieinhalb Kilometer bis zur Piața Alba Iulia, einem großen Kreisverkehr, an dem unter anderem das städtische Finanzamt beheimatet war. Ein Lichtblick war die PiațaUnirii, die wir in der Hälfte der Strecke kreuzten. Dies war ein Verkehrsknotenpunkt der Stadt, der allerdings scheinbar nur aus Wasserbecken, den herrlichsten Springbrunnen und sonstigen Wasserspielen bestand. Der Wind stand günstig und wir bekamen die Gischt der Unmengen an Wasser, die hier in die Luft gepumpt wurden, ab. Ein wahrer Traum. Ich freute mich schon auf die Rückkehr.

Zurück in die Lebenswirklichkeit. Ich war ja noch nicht soweit. Jetzt musste ich ja noch von der Piața Alba Iulia die nächsten zweieinhalb Kilometer über den Bulevardul Decebal und Bulevardul Besarabia in Angriff nehmen, bevor der nächste Wendepunkt kam und es wieder zurück Richtung Ziel ging.

Zwischenfazit. Gestartet war ich im 1:45:00-Block. Recht nah vor mir standen die Pacer mit den Fahnen 1:30:00. Diese musste ich logischer Weise schnell ziehen lassen. Lange Zeit konnte ich auch die 1:45:00-Pacer hinter mir lassen. Aber da es der erste richtige Lauf unter sommerlichen Temperaturen war, was ich bis dato noch nicht gewohnt war, näherten sich diese recht schnell und bei Kilometer 13 war es dann soweit. Ein unflätiger Ausdruck musste einfach sein, da ich wusste, jetzt wird es noch schwerer voranzukommen. Das Tempo, was diese Gruppe, die sich um die Pacer versammelt hatte, drauf hatte, war nicht mehr zu erbringen. Zumindest nicht durch mich.

Nach dem Wendepunkt ging es die nächsten vier Kilometer wieder zurück Richtung Piața Unirii. Hier nahm ich wieder eine wasserdusche mit, dann folgten die letzten zwei Kilometer bis zum Parlamentspalast. Auf diesen letzten insgesamt fünfeinhalb Kilometern konnte man auch gut erahnen, welche Dimensionen der Palast hatte. Scheinbar nicht mehr weit bis ins Ziel, baute sich dieser wie ein Monstrum vor uns auf. Die Strecke nahm aber kein Ende und das Gebäude wurde immer größer und überragte alles drum herum.

Auf den letzten zwei Kilometern holten mich dann auch noch die 1:50:00-Pacer ein. Das war dann doch zu viel für mich. Jetzt packte es mich und ich musste noch mal durchstarten. Letztes Ziel und sei es nur für die Ehre, vor den Pacern über die Linie laufen. Das gelang dann auch prima und recht deutlich.

Nach 1:51:18 Stunden erreichte ich die halben Orangen und das Wasser am Parlamentspalast. Die Medaille war in diesem Moment nicht wichtig. Erst mal trinken und ankommen. Mit meiner Zeit erreichte ich Gesamtplatz 574 von 2.377 Finishern, in der Altersklasse Platz 108 (310) und bei den Männern Platz 525 (1.817).

25 Grad zeigte das Thermometer. Kein Wind, gefühlt also noch wärmer. Ich war zufrieden. Das eigentliche Ziel nicht erreicht, aber bei den Temperaturen dann doch noch ein respektables Ergebnis erzielt. Der Sommer war angekommen. Jetzt hieß es lernen, damit umzugehen.

Nach dem Lauf hatte ich nicht mehr allzu viel Zeit. Ich bunkerte noch ein paar Getränkeflaschen und brach dann auf Richtung Hostel, welches nicht weit von der Sport-Expo entfernt lag. Duschen, packen und auschecken. Das musste alles bis 12 Uhr erledigt sein. Es war zu schaffen. Im Unirii-Park suchte ich Schatten und las noch ein wenig bevor es dann wieder zurück Richtung Flughafen ging.

Fazit von Bukarest? Allemal eine Reise wert und unbedingt auch sehenswert. Aber wie schon in Chisinau, in der Republik Moldau, gab es auch von Bukarest keinen Reiseführer. Sind dies die vergessenen Metropolen des Ostens? Eine Stadtbesichtigung in nur kurzer Zeit will deshalb gut vorbereitet sein. Das Internet hilft jedoch sehr gut und alles ist relativ fußläufig zu erkunden.

Der Lauf ist top organisiert. Alle drei Kilometer gibt es Wasserstationen mit reichhaltigem Angebot an Getränken, Schwämmen und auch Feststoffen. Alles prima, alles gut. Die Straßen lassen sich toll laufen, überall Publikum, sogar in den äußeren Stadtteilen. Aufgrund der Breite der Straßen, ebenfalls wie in Chisinau, verteilt sich das Läuferfeld relativ schnell und es gibt wenig Gedränge und man keinen seinen eigenen Lauf laufen.

Für mehr Informationen besucht einfach die Website des Bukarest Halbmarathons oder die Facebook-Präsenz.

Kommt gut an im Sommer und allzeit gute Läufe!

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Hey Matthias,
    Bukarest hatte ich so gar nicht auf dem Schirm. Weder als Stadt noch als Lauflocation.
    Ich nutze das Laufen jedoch sehr gerne, um einen Ort kennenzulernen. Da bietet sich so ein Event auch sehr gut an. Mir scheint, dass Bukarest dafür auch einmal eine Reise wert sein könnte. 😉
    Wahrscheinlich würde ich mir drumrum noch etwas mehr Zeit nehmen, falls möglich.
    Danke für den Bericht! 🙂
    Viele Grüße
    Jahn

    Like

    1. Hi Jahn, vielen Dank für Deinen Kommentar. Ja, Bukarest war super. Leider hatte ich ja ein paar Problemchen, aber der Kurs ist wirklich gut. Wenn Du Tipps brauchst, lass es mich wissen. Viele Grüße, Matthias

      Like

Schreibe eine Antwort zu Jahn von Fitvolution Antwort abbrechen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..