4. Chisinau International Marathon – Auf geradem Stadtparcours zu neuer Bestzeit (21,1 km/HM)

Chisinau, die Hauptstadt der Republik Moldau, sollte es nun im September nach der Sommerpause sein. Wenn man in den einschlägigen Internetsuchportalen nach Informationen fahndet, findet man wenig Schmeichelhaftes über diese Stadt am östlichsten Rande des Balkans, gelegen zwischen Rumänien und der Ukraine, nicht weit vom Golf von Odessa entfernt.

Hässlichste Stadt Europas, ein Ort zum Abgewöhnen, mit einem Bein im Sowjetmorast, sind nur einige der Attribute, die man findet. Aber mich schreckt sowas nicht ab, ganz im Gegenteil. Dann mag es vielleicht nicht schön sein, interessant ist es allemal. Also wurde die Republik Moldau, oder auch umgangssprachlich falsch Moldawien, zu meinem Laufland Nummer 14.

Mit Austrian Airlines, die recht gute Verbindungen auf den Balkan und in den ehemaligen Ostblock unterhalten, ging es in etwas mehr als vier Stunden Reisezeit von Düsseldorf in die rund 1.700 Kilometer entfernte Hauptstadt.

Mein Hotel war das Chisinau Hotel, ein altes Grand Hotel aus der Sowjetzeit, das die besten Tage bereits hinter sich hatte. Überall wurde der Hauch alter Zeiten versprüht, dennoch war alles sehr sauber und das war für mich die Hauptsache. Am Freitagnachmittag unternahm ich meinen ersten Gang durch die Stadt zur Sport-Expo, wo ich meine Startunterlagen abholen konnte.

Erster Eindruck? Die Innenstadt besteht aus einem „Prachtboulevard“ auf dem sich ganze vier Arten von Geschäften fanden. Dies waren Mobilfunkanbieter, Banken, Wechselstuben und Elektronikgeschäfte. Das war es. Wichtigste Aufgabe für den Abend? Etwas zu Essen und einen Supermarkt suchen und finden. In einem Einkaufszentrum am Rande der Innenstadt wurde ich fündig.

Meine Startunterlagen bekam ich recht schnell und so konnte ich über den Boulevard Stefan Cel Mare, benannt nach einem moldauischen Herrscher, der sich gegen das Osmanische Reich auflehnte, wieder ins Hotel zurückgehen.

Der Samstag stand dann ganz im Zeichen der Stadterkundung. Ja, vieles ist alt und erinnert schwer an die Zeiten der Sowjetherrschaft. Insbesondere am Boulevard Stefan Cel Mare finden sich zahlreiche Gebäude aus der Vor-Sowjetzeit, die heute wiederhergerichtet wurden. Dennoch ist die Stadt interessant und bietet bei gutem Willen durchaus schöne Fotomotive und den einen oder anderen Platz zum Verweilen. Langeweile kam bei mir den ganzen Samstag jedenfalls nicht auf.

Sonntagfrüh war es dann mit gerade einmal 8 Grad richtig knackig kalt. Ich machte mich die zweieinhalb Kilometer bis zum Start frühzeitig auf. Die Straße vor dem Hotel, der sechsspurige Boulevard Stefan Cel Mare, war bereits abgesperrt, so dass ich den ersten Teil der Laufroute bereits abschreiten konnte. Vor dem Regierungssitz war der Startbereich aufgebaut. Die Startblöcke waren schön mit den Landesflaggen der vermutlich teilnehmenden Nationen geschmückt. Die deutsche Flagge fand ich jedoch nicht. Meinen Rucksack mit den Wechselklamotten konnte ich an der eingerichteten Aufbewahrung abgeben.

Zum Glück kam nun ein wenig die Sonne raus und das Warten auf den Start gestaltete sich recht angenehm. Leicht verspätet wurde dann der Startschuss für alle Läufe gegeben. Ich hatte mich zum Pacemaker 1:45 Stunden gestellt, da ich gerne diesen Lauf mit mindestens dieser Zeit absolvieren wollte. Dies sollte aufgrund der Temperaturen eigentlich auch problemlos zu schaffen sein. Als dann der Start erfolgte, lies ich den Pacemaker aber erst einmal hinter mir und schaffte mir, dennoch entspannt und nicht übermäßig schnell, einen Vorsprung.

Auf den breiten Straßen konnte ich mir meinen Raum schaffen und so recht gleichmäßig in den Lauf starten. Gerade nach dem Start ist ja das Gedränge zumeist groß. Der gesamte Boulevard war gesäumt von Menschen, die richtig Party machten und die Läufer anfeuerten. Nach zweieinhalb Kilometern gerader Strecke erreichten wir die Ecke, an der mein Hotel lag. Hier bogen wir nun nach rechts in die Strada Ciuflea ab. Links lag die orthodoxe Kirche St. Teodor Tiron, die ihren Gottesdienst über Lautsprecher auf die Straße übertrug. Leicht ansteigend ging es nun in den Boulevard Dacia über, der uns zuerst in einer langen Linkskurve, später schnurgeradeaus, aus der Innenstadt herausführte. Von hier hatte man auch einen schönen Blick in die Hügel um Chisinau, an deren Flanken vereinzelte, architektonisch nicht unbedingt ansprechende, Plattenbaukomplexe standen.

Chisinau Strecke

Nach vier Kilometern Wegstrecke kam dann ein Wendepunkt, an dem es auch Bananen, Orangen und vor allem Wasser gab. Die Versorgung war insgesamt als vorbildlich zu beschreiben. Ständig gab es Wasser oder andere Getränke wie Red Bull, was den Lauf wirklich angenehm machte. Nach weiteren vier Kilometern erreichten wir wieder unseren Startpunkt am Regierungssitz, den wir nun aber durchliefen, um hinten raus dem Boulevard weiter Richtung Parlament und Präsidialamt zu folgen.

Strecke Chisinau

Nach rund drei Kilometern Wegstrecke, in Höhe der russischen Botschaft, hieß es nun wieder wenden und zurück zum Startbereich. Wir kamen entlang des Parlamentsgebäudes, welches gegenüber dem Präsidentenpalast lag. Der Präsidentenplast wurde gerade grundlegend saniert, so dass es hier nicht viel zu sehen gab, außer Staub. Hier wurde also auch sonntags gearbeitet.

Im Zielbereich herrschte großer Jubel und dies hielt dann auch erst einmal für die weiteren Kilometer auf dem Boulevard an. Jetzt folgte die bisherige Strecke ein zweites Mal. Nach 10 Kilometern hatte ich eine Zeit von 46:48 Minuten auf der Uhr. Mal eben hochgerechnet, gut, das könnte was werden. Insgesamt lief es absolut rund. Auch bei Kilometer 14, meinem regelmäßigen persönlichen Tiefpunkt, war von Leistungsschwund nichts zu spüren. In der Nachschau betrachtet, war Kilometer 15 mein langsamster Kilometer des ganzen Laufs. Dies mit einer Pacezeit von 5:03 Minuten je Kilometer.

Als ich dann zum zweiten Mal durch den späteren Zielbereich lief, und dies mit einer Zeit von 1:28:34, fing bei mir das Rechnen an. Noch rund drei Kilometer, eine durchschnittliche Pace von 4:45 Minuten angesetzt, ja, das könnte hier nicht nur deutlich unter 1:45 Stunden enden. Nun war plötzlich auch noch eine neue Bestzeit greifbar. Ab dem Zieldurchlauf ging es für die nächsten eineinhalb Kilometer bergab. Dies nutzte ich noch einmal aus um Schwung zu holen. Nach der Kehre ging es dann ja logischer Weise wieder bergan. Selbst den letzten Kilometer konnte ich noch prima durchziehen und erreichte so nach 1:40:30 Stunden die schlussendliche Ziellinie.

Das war grandios. Nicht nur deutlich unter 1:45 Stunden geblieben, sondern auch noch die ohnehin schnelle Zeit von 1:41:28 Stunden des 2. Vitality NorthLondonHalf Marathons aus Anfang 2016 um 58 Sekunden geknackt. Mit dieser neuen Bestzeit erreichte ich unter den 754 Finishern insgesamt Platz 78, in der Geschlechterwertung Platz 71 (571) und in der AK-Wertung sogar Platz 5 (49).

Das Ergebnis erstaunte mich umso mehr, als dass ich im Vorfeld bereits gesehen hatte, dass die Strecke weitestgehend flach, aber an zwei Stellen, nämlich dem Wendepunkt nach vier Kilometern, durchaus über ordentliche Steigungen verfügte. Während des Laufes war mir dies aber gar nicht so aufgefallen. Immerhin wurden insgesamt 203 Höhenmeter bewerkstelligt.

Ich war froh, dass ich mich trotz aller Negativberichte im Vorfeld nicht habe einschüchtern lassen und mir ein eigenes Bild von Chisinau gemacht habe. Die Stadt eignet sich sicher nicht für einen ausgedehnten Urlaub, aber für ein Wochenende abtauchen in eine vermeintlich andere Zeit? Das funktioniert prima und ist richtig spannend.

Der Chisinau Marathon ist absolut professionell organisiert und steht Läufen in unseren Breiten in wahrlich nichts nach. Die Versorgung entlang der Strecke war wirklich vorbildlich und das ganze Umfeld um die Startlinie absolut sehenswert. Hier hatte man eine richtige Sport-Expo aufgefahren, die sich über rund 400 Meter mit den diversesten Anbietern und Sponsoren erstreckte.

Wer also auch mal Lust hat, mal nicht Standard zu laufen und gleichzeitig noch was erleben will, der sollte den Chisinau International Marathon mit auf die to do-Liste setzen. Informieren könnt Ihr Euch auf der auch in englischer Sprache erstellten Website des Chisinau Marathons oder aber auf der Facebook-Präsenz.

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Daniel sagt:

    Herzlichen Glückwunsch zu deiner super schnellen HM-Zeit, Matthias! So schnell bin ich leider nicht… Wann läufst du deinen ersten Marathon? Ich kann den in Münster nur empfehlen (immer Anfang September).

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    1. Hi Daniel, mit dem Marathon lasse ich mir noch Zeit. Münster wäre passend, nur ist es da meistens noch recht warm. Ich mag’s lieber kühl ;-). Schauen wir mal, wann der richtige Zeitpunkt ist. Danke für Deine Glückwünsche 😉

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